Zusammenfassung
Jugend als gesellschaftlich vermittelt zu verstehen, stellt gleichsam eine „conditio sine qua non“ aktueller Jugendforschung im Kontext soziologischer und erziehungswissenschaftlicher Zugänge dar: Damit ist Jugend ein soziales Phänomen, welches dem historischen Wandel unterliegt (vgl. Andresen 2005; Schäfers/ Scherr 2005; Scherr 2009). Die Analyse des Verhältnisses von Jugend und Gesellschaft macht theoretische Zugänge notwendig, welche das wechselseitige Bedingungsverhältnis aufgreifen und damit aufzeigen, inwiefern sich an Jugend gesellschaftliche Widersprüche erkennen lassen. Jugend stellt als Phase des Aufwachsens zwischen Kindheit und Erwachsensein eine in modernen Gesellschaften notwendige Entwicklungsphase hinsichtlich der Dynamisierung gesellschaftlicher Strukturen dar: Die folgenden Ausführungen basieren erstens auf der theoretischen Annahme, dass Jugend sich durch ein adoleszentes Aufbruchspotential am Übergang zwischen Familie und Kultur auszeichnet. Damit bewegt sich der Text im Kontext der Arbeiten des Ethnopsychoanalytikers Mario Erdheim und eröffnet eine transdisziplinäre Perspektive auf Jugendforschung, indem psychoanalytische Zugänge mit soziologischen und ethnologischen Sichtweisen verknüpft werden. Zweitens orientiert sich der Text an der Kritischen Gesellschaftstheorie, wie sie von Adorno, Horkheimer und anderen begründet wurde: Eine transdisziplinäre Analyse von Jugend und Gesellschaft verlangt eine gesellschaftstheoretische Fundierung, wie sie bspw. in den Faschismus-Analysen rund um die Frankfurter Schule geleistet wurde (vgl. Sohn-Rethel 1981/1973; Horkheimer u.a. 1987/1939; Neumann 2004). Zudem bieten die Birminghamer Cultural Studies eine Möglichkeit, über die Analyse von Jugend Rückschlüsse auf Gesellschaft zu gewinnen (vgl. Willis 1979, 1981, 1991; Clarke u.a. 1981).
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Studer, T., Vogel, M. (2010). Gesellschaftliche Prozesse der Unbewusstmachung am Beispiel von Rechtsextremismus und Jugend. In: Riegel, C., Scherr, A., Stauber, B. (eds) Transdisziplinäre Jugendforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92587-5_12
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Online ISBN: 978-3-531-92587-5
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