Zusammenfassung
Forschungsbeziehungen in der Jugend-und Adoleszenzforschung sind, unabhängig von der Forschungsdisziplin, bereits auf den ersten Blick durch verschiedene Asymmetrien wie Alter, Bildungsstand, Lebenserfahrung, Reflexionsfähigkeit und die Fähigkeit eine biographische Narration zu generieren (vgl. Mey 2000) vorstrukturiert, in denen zudem komplexe Ungleichheitsverhältnisse wie Geschlecht und Herkunft eingelagert sind. Forschungsbeziehungen zu Jugendlichen sind als Generationenbeziehungen somit Interaktionen zwischen Ungleichen. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass sich die Forschungsbeziehung zwischen den Forschenden und den Jugendlichen häufig als eine pädagogische Beziehung gestaltet. Einen pädagogisch-generativen Habitus bringen in diesem Fall jedoch nicht nur die Forschenden mit, sondern dazu trägt auch die atmosphärische Nähe zu einem pädagogischen Setting bei, das den Forschungsbeteiligten aus Schule, Familie oder Institutionen der (Sozial-)Pädagogik bekannt ist und deshalb auch von den Jugendlichen als Deutungsmuster in der Forschungsbeziehung ‚angewendet‘ wird. Gleichwohl kann eine pädagogisch geprägte Forschungsbeziehung die Basis für ein gelingendes Arbeitsbündnis in der Forschungssituation sein. Aber jede Forschung beinhaltet unvermeidlich instrumentelle Aspekte, deshalb wird die Forschungssituation von allen Teilnehmenden immer auch „als hierarchische Situation erlebt und vor dem Hintergrund ihrer spezifischen Erfahrungen mit Machtverhältnissen interpretiert“ (King 1992: 115). Dennoch hat kritische Sozialforschung u.a. den essenziellen Anspruch, die Reproduktion von realen gesellschaftlichen Herrschaftsverhält nissen in der Forschungsbeziehung vermeiden zu wollen. Mit der psychoanalytisch orientierten Interpretation der Forschungsbeziehung steht der qualitativen Jugend-und Adoleszenzforschung ein transdisziplinäres methodisches Instrument zur Verfügung, das die kritische und reflexive Perspektive auf gesellschaftliche Verhältnisse mit der Reflexion der eigenen Forschungspraxis verbindet.
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Literatur
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Prochnau, A. (2010). Kritisch-reflexive Methoden der sozialpsychologischen Adoleszenzforschung: Die psychoanalytisch orientierte Interpretation der Forschungsbeziehung. In: Riegel, C., Scherr, A., Stauber, B. (eds) Transdisziplinäre Jugendforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92587-5_10
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