Zusammenfassung
Wie auch immer man mit einem Sammelnamen jene wissenschaftlichen Bemühungen nennen will, die sich der Praxis gesellschaftlich organisierter Hilfe im Allgemeinen, der Berufspraxis der Sozialen Arbeit im Besonderen zuwenden, als Fachwissenschaft Soziale Arbeit, als Sozialarbeitswissenschaft oder als Sozialpädagogik, außer Zweifel dürfte stehen, dass es diese Bemühungen gibt, und dass sie miteinander verbunden sind, sich aufeinander beziehen oder beziehen sollten; dass Foren des Austauschs und der Diskussion nötig sind; dass die Möglichkeit einer Lehre besteht, die diesen Diskurszusammenhang zu Thema hat und abbildet; dass diese Bemühungen in ihrer Summe nicht umstandslos unter eine andere Wissenschaftsdisziplin zu subsumieren sind, nicht unter die Soziologie, die Psychologie, nicht unter die Politikwissenschaft, die Kultur- und Sozialanthropologie, die Sozialphilosophie, Staats- und Verwaltungswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, nicht unter die Rechtswissenschaft, die Medizin oder Pflegewissenschaft, und auch nicht unter die Pädagogik. Gleichwohl berühren alle diese Disziplinen den Gegenstandsbereich der Sozialarbeitswissenschaft. Gleichwohl ist von allen diesen Disziplinen zu lernen. Wenn zahlreiche andere Disziplinen wichtige Beiträge zu ihrem Gegenstandsbereich liefern, dann liegt nahe, die Sozialarbeitswissenschaft als genuin interdisziplinäres Projekt zu verstehen. In einem solchen Verständnis ist Überforderung bereits grundgelegt. Inter- bzw. Transdisziplinarität sind Ansprüche, die das Scheitern eines Projekts, das sie zum Ausgangspunkt hat, wahrscheinlich machen. Die Disziplinen sind selbst bereits hinreichend ausdifferenziert und haben einen Umfang und eine Komplexität erreicht, die es selbst jenen, die in ihrer Disziplin reüssieren wollen, unmöglich macht, den Wissensbestand ihres Faches zu überblicken und in ihrer Arbeit vollständig zu berücksichtigen. Die Forderung, auch den Wissensbestand anderer Disziplinen zu kennen, zu rezipieren und zu verwerten, ist schier unerfüllbar. Und das nicht nur für eine einzelne Forscherin, sondern auch für Teams. Trans- und Interdisziplinäre Projekte laufen daher Gefahr, von VertreterInnen jeder der beteiligten Disziplinen als defizitär eingeschätzt zu werden, weil sie (vermeintlich) wesentliche Wissensbestände nicht berücksichtigen/rezipieren. Die Legitimation transdisziplinärer Forschung und Theoriebildung erfordert daher einen Bezugspunkt, der nicht in den beteiligten Disziplinen liegt, sondern in einem Dritten, das quer zu den oder außerhalb der zentralen Fragen der Disziplinen angeordnet ist.
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Pantucek, P. (2010). Aufgaben und Charakteristika einer professionsbezogenen Wissenschaft. In: Brandstetter, M., Vyslouzil, M. (eds) Soziale Arbeit im Wissenschaftssystem. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92561-5_18
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