Zusammenfassung
Funktionen und Sinnbestimmungen Sozialer Arbeit zielen nicht nur auf die Bewältigung von Lebensrisiken in der so genannten Moderne, die Soziale Arbeit selbst soll als Bewältigungsversuch und damit Teil dieser Moderne – für und gegen sie – verstanden werden. Damit wird eine Rückbindung an (sozial)politische Veränderungen unhintergehbar. Für die konzeptionelle Ausrichtung Sozialer Arbeit zeichnet sich im Kontext solcher Veränderungen eine überholt geglaubte strafpädagogisch inspirierte, im Grunde paternalistische Praxis dort ab, wo Integrationserwartungen nicht ohne Zwang einlösbar erscheinen. Die Hypothese, dass sich dieses in-, neben- und hinter dem Rücken liberaler Anleihen an eine Marktlogik in der Sozialen Arbeit vollzieht, wird durch starke Hinweise gestützt, freilich fehlt noch eine hinreichend empirisch abgesicherte Fundierung. Der Beitrag diskutiert diese Beobachtung im Kontext mit Aufgaben- und Funktionsveränderungen Sozialer Arbeit vor dem Hintergrund einer Metamorphose der Sozialen Frage. Eine skizzenhafte Rekonstruktion solcher Funktionsbestimmungen und Aufgaben führt zur gegenwärtigen sogenannten „neuen Generation von Risiken“ (Castle 2005), zu einer kritischen Reflexion von Paradigmen der „Selbststeuerung“ und zu einer Kontroverse innerhalb der Sozialen Arbeit: Muss oder soll diese künftig auf ein doppeltes Mandat – als Sozialunternehmer – verzichten, oder kann sie im Gegenteil ein menschenrechtlich orientiertes „Triple-Mandat“ als professionelle Positionierung beanspruchen? Aus den beschriebenen Strittigkeiten folgt ein Desiderat nach einer interdisziplinär zu entwickelnden Theorie, die das Zusammenwirken von Helfen, Bilden, Ordnen und Strafen angemessen zu erfassen vermag. Für die sozialarbeiterische Praxis wären Positionen zu entwerfen und zu verteidigen, die ihre Leistungen für eine umfassende gesellschaftliche Integration im normativen Horizont gelingenden Lebens verbürgt.
This is a preview of subscription content, log in via an institution.
Buying options
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Learn about institutional subscriptionsPreview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Amos, S. Karin (2008): Der Umgang mit ‚defekten Seelen’: Löschen und Neuprogrammieren – das Beispiel der Boot Camps, in: Brumlik (2008), 132–153.
Böhnisch, Lothar (2002): Lebensbewältigung. Ein sozialpolitisch inspiriertes Paradigma für die Soziale Arbeit. In: Thole (2005): Grundriß Soziale Arbeit, Opladen.
Böhnisch, Lothar (2001): Sozialpädagogik der Lebensalter, Weinheim/ München.
Brumlik, Micha (2008): Ab nach Sibirien? Wie gefährlich ist unsere Jugend? Weinheim/ Basel.
Brumlik, Micha (Hrsg.) (2007): Vom Missbrauch der Disziplin, Weinheim/ Basel.
Brumlik, Micha (2000): Soziale Arbeit. Funktionale Erfordernisse, ideologische Selbstmißverständnisse und vergessene Traditionen. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 2000, S. 186 ff.
Bueb, Bernhard (2009): Von der Pflicht zu führen, Berlin.
Bueb, Bernhard (2008): Lob der Disziplin, Berlin.
Bütow, Birgit/ Chassè, Karl August/ Hirt, Rainer (2008): Soziale Arbeit nach dem sozialpädagogischen Jahrhundert. Positionsbestimmungen Sozialer Arbeit im Post-Wohlfahrtsstaat, Opladen/ Farmington Hills.
Bütow, Birgit/ Chassè, Karl August/ Hirt, Rainer (2008): Quo vadis Soziale Arbeit? In: dies. (2008), S. 223–238.
Castle, Robert (1995/2008 i. dt. Übers.): Die Metamorphosen der Sozialen Frage, Konstanz.
Castle, Robert (2003/2005 i. dt. Übers.): Die Stärkung des Sozialen. Leben im neuen Wohlfahrtsstaat, Hamburg.
Galuske, Michael (2002): Flexible Sozialpädagogik. Elemente einer Theorie Sozialer Arbeit in der modernen Arbeitsgesellschaft, Weinheim/ München.
Gehlen, Martin (2010): „Meine Frau, mein Auto, mein neues Leben“. In: Frankfurter Rundschau v. 08.01.2010, S.8–9.
Günther, Klaus (2002): Zwischen Ermächtigung und Disziplinierung. Verantwortung im gegenwärtigen Kapitalismus. In: Honneth (2002), S. 117–139.
Heidbrink, Ludger/ Hirsch, Alfred (Hrsg.) (2006): Verantwortung in der Zivilgesellschaft, Frankfurt a.M./ New York.
Heidbrink, Ludger (2003): Kritik der Verantwortung, zu den Grenzen verantwortlichen Handelns in komplexen Kontexten, Welerswist.
Honneth, Axel (2002): Befreiung aus der Mündigkeit, Frankfurt am Main.
Kaufmann, Franz-Xaver (1997): Herausforderungen des Sozialstaats, Frankfurt a.M.
Keckeisen, Wolfgang (1974): Die gesellschaftliche Definition abweichenden Verhaltens. Perspektiven und Grenzen des labeling approach, München.
Kessl, Fabian/ Otto, Hans-Uwe (Hrsg.) (2009): Soziale Arbeit ohne Wohlfahrtsstaat?, Weinheim/ München.
Kuhlmann, Carola (2008): Geschichte der Sozialen Arbeit I, Schwalbach/ Taunus.
Kunstreich, Timm (2001): Vom Missverständnis eines politischen Mandats Sozialer Arbeit. In: Merten (2001), S. 121–130.
Lindenberg, Michael (2000): Von der Sorge zur Härte. Kritische Beiträge zur Ökonomisierung Sozialer Arbeit, Bielefeld.
Lutz, Ronald (2008): Perspektiven der Sozialen Arbeit. In: APuZ: Wandel der Sozialen Arbeit, 12–13/17.03.2008, S. 3–10.
Maaser, Wolfgang (2006): Aktivierung der Verantwortung: Vom Wohlfahrtsstaat zur Wohlfahrtsgesellschaft. In: Heidbrink/ Hirsch (2006), S. 61–84.
Merten, Roland (Hrsg.) (2001): Hat die Soziale Arbeit ein politisches Mandat? Positionen zu einem strittigen Thema, Opladen.
Mollenhauer, Klaus (1966/1993): Einführung in die Sozialpädagogik, Basel/ Weinheim.
Oelkers, Nina (2009): Die Umverteilung von Verantwortung zwischen Staat und Eltern. In: Kessl/ Otto (2009), S.71–86.
Oelkers, Nina/ Otto, Hans-Uwe/ Schrödter, Mark/ Ziegler, Holger (2008): „Unerziehbarkeit“ – Zur Aktualität einer Aussonderungskategorie. In: Brumlik (2008), S. 184–216.
Reckwitz, Andreas (2006): Das hybride Subjekt. Eine Theorie der Subjektkulturen von der bürgerlichen Moderne zur Postmoderne, Weilerswirst.
Scherr, Albert (2001):Auf der Suche nach dem ‚Politischen’ in der Sozialen Arbeit. In: Merten (2001), S. 101–119.
Schröder, Achim et al. (Hrsg.) (2008): Handbuch Konflikt- und Gewaltpädagogik: Verfahren für Schule und Jugendhilfe, Schwalbach/Ts.
Staub-Bernasconi, Silvia (2007): Vom beruflichen Doppel- zum professionellen Tripelmandat. Wissenschaft und Menschenrechte als Basis der Profession Soziale Arbeit, Berlin, URL: http://www.zpsa.de/pdf/StB-Soz-Arb-Tripelmandat.pdf(25.03.2010).
Stimmer, Franz (Hrsg.) (2000): Lexikon der Sozialpädagogik und der Sozialarbeit, München/ Wien/ Oldenburg.
Thole, Werner (Hg.) (2002): Grundriß Soziale Arbeit, Opladen.
Tischler, Klaus (2009): Sonderformen stationärer Jugendhilfe: Geschlossene Unterbringung, sogenannte Erziehungscamps, Auslandsmaßnahmen. In: Blickpunkte Jugendhilfe, 14.Jg, 4/2009, S. 3–8.
Widersprüche, Heft 106, Dez. 2007: Wer nicht hören will, muss fühlen? – Zwang in öffentlicher Erziehung, Bielefeld.
Winkler, Michael (2000): Zur Theorie der Sozialpädagogik, In: Stimmer (2000).
Winkler, Michael (2008): Annäherungen an den neuen gesellschaftlichen Ort der Sozialen Arbeit. In: Bütow et al. (2008).
Wulf, Christoph (2001): Anthropologie der Erziehung, Weinheim/ Basel.
Zirfas, Jörg (2004): Pädagogik und Anthropologie – Eine Einführung, Stuttgart.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2010 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
About this chapter
Cite this chapter
Eppenstein, T. (2010). Zum Funktionswandel Sozialer Arbeit: Zwischen Modernitätsbewältigung, Marktlogik und Disziplinierung. In: Benz, B., Boeckh, J., Mogge-Grotjahn, H. (eds) Soziale Politik – Soziale Lage – Soziale Arbeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92549-3_22
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-92549-3_22
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-16885-2
Online ISBN: 978-3-531-92549-3
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)