Zusammenfassung
Die Stärkung schwacher sozialer Interessen obliegt Sozialer Arbeit als eine ihrer genuinen Aufgaben – auch im politischen Kontext. Dieser Anspruch bricht sich jedoch bereits an der häufig thematisierten Schwierigkeit der Profession Sozialer Arbeit, sich im interprofessionellen Raum als solche selbst zu behaupten.
Der Professionalisierungsdiskurs der Sozialen Arbeit (1) thematisiert zwar die eigenen Schwierigkeiten, vor allem auch die der geringen Machtstellung. Es fällt dabei jedoch auf, dass Soziale Arbeit in der Regel bei handlungs- und systemtheoretischen Ansätzen stehen bleibt und trotz der beklagten, geringen Machtstellung machttheoretische Zugänge zur Klärung dieses Problems nicht heranzieht. Hier will der folgende Beitrag ansetzen (2): Er greift bewusst auf den machttheoretischen Ansatz der Professionalisierungsdiskussion zurück und zeigt im Anschluss an Andrew Abbott (1988) drei Arenen auf, innerhalb derer es um die Durchsetzung von Interessen Sozialer Arbeit geht (insbesondere anwaltschaftlicher Interessen in Bezug auf ihre KlientInnen sowie professioneller Interessen als Fachkräfte Sozialer Arbeit): a) in der allgemeinen Öffentlichkeit (siehe hierzu Puhl 2004), b) in der politischen Arena und c) am Arbeitsplatz (siehe etwa Bogumil/Schmid 2001). Im Folgenden fokussiert der Beitrag allerdings nur die politische Arena, da innerhalb dieser Zuständigkeiten institutionalisiert werden können.
Die sich anschließende Frage (3) nach den notwendigen Kompetenzen, um innerhalb der politischen Arena Interessen reklamieren und durchsetzen zu können, mündet in eine Definition politischer Kompetenz Sozialer Arbeit, die die Vertretung von (schwachen) Klienteninteressen, aber auch die Vertretung von (schwachen) Professionsinteressen umfasst. Empirisch untersucht wird dies (4) anhand von fünf Experteninterviews in deutschen Drittsektor-Organisationen Sozialer Arbeit auf der Ebene der Europäischen Union (EU). Diese Analyse kann hier nur stark zusammengefasst wiedergegeben werden. Sie umfasst die Fragen, a) inwieweit politische Soziale Arbeit im Rahmen von Organisationen des Dritten Sektors (schwache) Klientel- sowie Professionsinteressen Sozialer Arbeit vertritt und b) welche Kompetenzen dafür notwendig sind. Hieraus ergeben sich Hinweise auf weiteren Forschungs- und Handlungsbedarf.
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Literatur
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Seibel, K. (2010). Reklamation und Durchsetzung schwacher Interessen – Hinweise aus deutscher Perspektive am Beispiel politischer Sozialer Arbeit auf EU-europäischer Ebene. In: Benz, B., Boeckh, J., Mogge-Grotjahn, H. (eds) Soziale Politik – Soziale Lage – Soziale Arbeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92549-3_12
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