Zusammenfassung
Sinn ist in der Soziologie ohne Zweifel ein wichtiger, verbreiteter und dabei changierender Begriff, der häufig in einem allgemeinen Sinne gebraucht und nicht expliziert wird. Insbesondere die Akteure der Sinnkonstruktionen oder der Sinnstiftung bleiben oft im Dunkeln und lassen sich eher implizit erschließen. Hartmut Esser (1993) unterscheidet beispielsweise in subjektiven, sozialen und nomischen Sinn, wobei die beiden ersten bei ihm im Fokus stehen. Die Frage nach den Akteuren scheint dabei auf den ersten Blick leicht zu beantworten zu sein. Da der subjektive Sinn sich auf subjektive Handlungsabsichten bezieht und der soziale Sinn auf die in einem Kollektiv geltenden Handlungsregeln (vgl. Esser 2000: 34), folgt daraus: Beim subjektiven Sinn ist der Akteur der Sinnstiftung offensichtlich das Subjekt, beim sozialen Sinn das Kollektiv. Dies ist bei der dritten von Esser identifizierten Sinnform, dem nomischen Sinn, schwieriger. Den nomischen Sinn beschreibt Esser als Ergebnis „übergreifender ‚Weltbilder‘ der Menschen“, die „die Zusammenhänge der Welt im Zusammenhang einer als unverrückbar angesehenen ‚transzendenten‘ obersten Ordnung (erklären)“ (Esser 1993: 489). Offenbar ist der nomische Sinn also eine Form von Sinn, die gewissermaßen den subjektiven Sinn der Akteure in eine bestehende soziale Ordnung einbindet. Damit liefert er Soziologen ein Konzept, die Sinnstiftung des Einzelnen mit der Sinnstiftung des Kollektivs zusammenzudenken und die in der Soziologie gebräuchliche Trennung von Individuum und Gesellschaft zumindest ansatzweise zu durchbrechen.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Boetzkes, Claus-Erich/Klimsa, Paul (2008): Organisation als Nachrichtenfaktor. Wie das Organisatorische den Content von Fernsehnachrichten beeinflusst. Verfügbar unter: www.dx.doi.org/10.1007/978-3-531-90767-3
Bourdieu, Pierre (1991): „Inzwischen kenne ich alle Krankheiten der soziologischen Vernunft“. Pierre Bourdieu im Gespräch mit Beate Krais. In: Pierre Bourdieu u. a.: Soziologie als Beruf. Wissenschaftstheoretische Voraussetzungen soziologischer Erkenntnis. Hg. v. Beate Krais. Berlin/New York: de Gruyter, S. 269–283.
Bourdieu, Pierre (1987): Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Bourdieu, Pierre (1997): Verstehen. In: Ders. u. a.: Zeugnisse und Diagnosen alltäglichen Leidens an der Gesellschaft. Konstanz: UVK, S. 779–822.
Bourdieu, Pierre (1998a): Die biographische Illusion. In: Ders.: Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 75–83.
Bourdieu, Pierre (1998b): Über das Fernsehen. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Bourdieu, Pierre (2005): The Political Field, the Social Science Field, and the Journa-listic Field. In: Rodney Benson/Eric Neveu (Hg.): Bourdieu and the Journalistic Field. Cambridge: Cambridge University Press, S. 29–47.
Bourdieu, Pierre/Wacquant, Loic J.D. (1996): Die Ziele der reflexiven Soziologie. Chicago-Seminar, Winter 1987. In: Dies.: Reflexive Anthropologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 95–249.
Champagne, Patrick 2005: The “Double Dependency”: The Journalistic Field Between Politics and Markets. In: Rodney Benson/Eric Neveu (Hg.): Bourdieu and the Journalistic Field. Cambridge: Cambridge University Press, S. 48–63.
Dernbach, Beatrice (2005): Was schwarz auf weiß gedruckt ist … Vertrauen in Journalismus, Medien und Journalisten. In: Beatrice Dernbach/Michael Meyer: Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Interdisziplinäre Perspektiven. Wiesbaden: VS, S. 135–154.
Engler, Steffani (2001): „In Einsamkeit und Freiheit“? Zur Konstruktion der wissenschaftlichen Persönlichkeit auf dem Weg zur Professur. Konstanz: UVK.
Engler, Steffani (2002): Bourdieus soziologisches Denken und Verstehen. In: Mitteilung. Institut für Sozialforschung. Heft 15: 83–95
Engler, Steffani (2008): Habitus und sozialer Raum: Zur Nutzung der Konzepte Pierre Bourdieus in der Frauenund Geschlechterforschung. In: Ruth Becker/Beate Kortendiek (Hg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie. 2. erweiterte und aktualisierte Aufl. Wiesbaden: VS, S. 250–261.
Esser, Hartmut (1993): Soziologie. Allgemeine Grundlagen. Frankfurt am Main/New York: Campus.
Esser, Hartmut (2000): Soziologie: Spezielle Grundlagen. Bd. 5: Institutionen. Frankfurt am Main/New York: Campus.
Noelle-Neumann, Elisabeth u. a. (Hg.) (2002): Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation. Frankfurt am Main: Fischer.
Hickethier, Knut (1998): Narrative Navigation durchs Weltgeschehen. Erzählstrukturen in Fernsehnachrichten. In: Miriam Meckel/Klaus Kamps (Hg.): Fernsehnachrichten. Prozesse, Strukturen, Funktionen. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 185–202
Jaedicke, Horst (2002): Tatort Tagesschau. Eine Institution wird 50. München: Buch & Media.
Krais, Beate (2000): Das soziale Feld Wissenschaft und die Geschlechterverhältnisse. Theoretische Sondierungen. In: Beate Krais (Hg.): Wissenschaftskultur und Geschlechterordnung. Über die verborgenen Mechanismen männlicher Dominanz in der akademischen Welt. Frankfurt am Main/New York: Campus,. S. 31–54
Krais, Beate (2004): Soziologie als teilnehmende Objektivierung der sozialen Welt: Pierre Bourdieu. In: Stephan Moebius/Lothar Peter (Hg.): Französische Soziologie der Gegenwart. Konstanz: UVK, S. 171–210
Krais, Beate/Gebauer, Gunter (2002): Habitus. Bielefeld: Transcript.
Luhmann, Niklas (1992): Die Wissenschaft der Gesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Marcinkowski, Frank (1993): Publizistik als autopoietisches System. Politik und Massenmedien. Eine systemtheoretische Analyse. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Schäfer, Sabine (2004): Journalismus als soziales Feld. Das relationale Denken Pierre Bourdieus als Grundlage für eine Journalismustheorie. In: Maritn Löffelholz (Hg.): Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch. 2., vollst. überarb. u. erw. Aufl. Wiesbaden: VS, S. 321–334
Schäfer, Sabine (2007): Die Welt in 15 Minuten. Zum journalistischen Herstellungsprozess der Tagesschau. Konstanz
Schäfer, Sabine (2008): Journalismus: „The story of an impossible autonomy“? In: Zeitschrift für Kommunikationsökologie und Medienethik 10(1): 39–42.
Scholl, Armin/Weischenberg, Siegfried 1998: Journalismus in der Gesellschaft. Theorie – Methodologie – Empirie. Opladen.
Schützeichel, Rainer (2006): Die Selektivität von Sinn. Über die Sinnkonzeptionen und Sinnformen des Strukturtheoretischen Individualismus und der Systemtheorie und ihre methodologischen Prämissen und Implikationen. In: Rainer Greshoff/Uwe Schimank (Hg.): Integrative Sozialtheorie. Esser – Luhmann – Weber. Wiesbaden: VS, S. 111–155.
Staab, Joachim Friedrich (1990): Nachrichtenwert-Theorie. Formale Struktur und empirischer Gehalt. Freiburg/ München: Alber.
Weischenberg, Siegfried/Malik, Maja/Scholl, Armin (2006): Die Souffleure der Mediengesellschaft. Report über die Journalisten in Deutschland. Konstanz: UVK.
Zubayr, Camille/Geese, Stefan (2005): Die Informationsqualität der Fernsehnachrichten aus Zuschauersicht. Ergebnisse einer Repräsentativbefragung zur Bewertung der Fernsehnachrichten. In: Media Persepektiven, H. 4: 152–162.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2010 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
About this chapter
Cite this chapter
Schäfer, S. (2010). Der Sinn der Praxis – Zum Verhältnis von Nachrichtenjournalismus und Wissenschaft. In: Ebertz, M.N., Schützeichel, R. (eds) Sinnstiftung als Beruf. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92388-8_15
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-92388-8_15
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-16815-9
Online ISBN: 978-3-531-92388-8
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)