Zusammenfassung
Die in den heutigen Diskursen oft dichotom verwendeten Begriffe ‚Scharia und Vernunft‘, ‚Islam und Moderne‘ oder ‚Islam und Demokratie‘ zählen in vielen wissenschaftlichen Publikationen, die sich mit ‚Islam‘ oder ‚Muslimen‘ in der Gegenwart beschäftigen, zu den Standardthemen (zum Beispiel Heller 1998; Stauth 1998; Krämer 1999; Mernissi 2002; Hunter 2005; Abed al-Jabri 2009). Allein die Tatsache, dass in neuester Zeit so kontrovers und fast inflationär über das Verhältnis von ‚Scharia und Vernunft‘ oder ‚Islam und Moderne‘ diskutiert wird, ist zwar kein Beweis eines evidenten Widerspruchs zwischen den beiden Größen, zeigt aber auf, dass eine gewisse Unvereinbarkeit oder Trennung angenommen wird, was das Verhältnis der islamisch geprägten Kulturen zu modernen Lebensvorstellungen angeht. Ein solcher Diskurs, in dem die Begriffe ‚Scharia‘ und ‚Vernunft‘ oder ‚Islam‘ und ‚Moderne‘ in eine gewisse dichotome Assoziation zueinander gestellt werden, ist in der islamischen Geistesgeschichte nicht zu finden. Dies ist ein moderner Diskurs, der sich in der postkolonialen Zeit und im Zuge des allseitig vorherrschenden Rationalismus und des damit begründeten Konzepts der Menschenrechte auch den MuslimInnen aufzwingt, sodass seit Jahrzehnten die Frage thematisiert wird, wie das Verhältnis ihrer ‚Religion‘ zur ‚Vernunft‘ sei.
Der Text ist die überarbeitete und erweiterte Fassung meines Aufsatzes „Zum Verhältnis von Scharia und Vernunft am Beispiel des Ijtihad in der Moderne“, erschienen in Fikrun wa Fann, Januar 2009, Goethe-Institut e.V. (http://www.goethe.de/ges/phi/ffs/srg/de4545593.htm)
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Poya, A. (2010). Ijthihad, Scharia und Vernunft. In: Schneiders, T.G. (eds) Islamverherrlichung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92384-0_7
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