Zusammenfassung
Seit mehreren Jahren werden die Themen Zwangsheirat, häusliche und sexuelle Gewalt sowie die so genannten Ehrenmorde in muslimischen Migrantenfamilien öffentlich thematisiert und diskutiert. Auf Initiative von Frauenrechtsorganisationen finden zahlreiche Diskussionsrunden und Tagungen statt. Die Bundesregierung setzte die Themen mit der Deutschen Islam Konferenz (Bundesinnenministerium) und dem Integrationsgipfel (Bundeskanzleramt) auf die politische Agenda. (Auto)-Biografische Werke, die das Thema Zwangsheirat und innerfamiliäre Gewalt aus der Betroffenenperspektive beschreiben, erhalten hohe mediale Aufmerksamkeit. Die Bücher von Seyran Ateş (Große Reise ins Feuer), Necla Kelek (Die fremde Braut und Die verlorenen Söhne) und Serap Çileli (Wir sind eure Töchter nicht eure Ehre) beispielsweise rückten die Diskussion um das Schicksal speziell türkischer Frauen in den Vordergrund. Ihre Werke geben zwar gute Einblicke in die Lebenssituation der Betroffenen, es muss aber auch hervorgehoben werden, dass sie nicht den geltenden methodisch-wissenschaftlichen Standards genügen. Daher lassen sich eigentlich auch keine allgemeingültigen Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen daraus ableiten. Im Nachgang wurden ihre Aussagen aber dennoch in unzulässiger Weise pauschalisiert und miteinander vermischt. Gewalt gegen Frauen, Zwangsverheiratung oder Ehrenmorde wurden zum Beispiel allein mit dem Islam begründet (siehe den Band Islamfeindlichkeit). Zugleich kann man beobachten, dass Teile der muslimischen Migranten ihr Fehlverhalten ebenso mit der Besonderheit ihrer Religion, in dem Fall mit dem Islam, erklären (siehe zu diesem Aspekt auch den Beitrag von Uslucan in diesem Buch). Eine solche einseitige Verknüpfung entspricht in der Realität jedoch nicht dem wissenschaftlich nachweisbaren Ursachenbündel dieser Phänomene.
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Literatur
Ateş, Seyran (2003): Große Reise ins Feuer. Berlin.
Bundesministerium für Frauen, Senioren, Familie und Jugend (Hrsg.) (2005): Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Berlin.
Boos-Nünning, Ursula und Yasemin Karakaşoğlu (2005): Viele Welten leben. Zur Lebenssituation von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund. Münster.
Çileli, Serap (2002): Wir sind eure Töchter nicht eure Ehre. Michelstadt.
Kağıtcıbaşı, Çiğdem und Diane Sunar (1997): „Familie und Sozialisation in der Türkei“, in: Bernhard Nauck und Ute Schönpflug (Hrsg.): Familien in verschiedenen Kulturen. Stuttgart.
Kağıtcıbaşı, Çiğdem (1996): Insan, aile, kültür[Mensch, Familie, Kultur], 3. Aufl., Istanbul.
Kelek, Necla (2005): Die fremde Braut. Ein Bericht aus dem Inneren des türkischen Lebens in Deutschland. Köln.
Kelek, Necla (2006): Die verlorenen Söhne. Plädoyer für die Befreiung des türkischmuslimischen Mannes. Köln.
[KFN] Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (Hrsg.) (2002): Jugendliche in Deutschland zur Jahrtausendwende. Baden-Baden.
Özkara, Sami (1988): Zwischen Lernen und Anständigkeit. Erziehungs- und Bildungsvorstellungen türkischer Eltern. Frankfurt a. M.
Pfluger-Schindlbeck, Ingrid (1989): „Achte die Älteren, liebe die Jüngeren“. Sozialisation türkischer Kinder.Frankfurt a. M.
Schiffauer, Werner (1983): Die Gewalt der Ehre. Erklärungen zu einem türkischdeutschen Sexualkonflikt. Frankfurt a. M.
Toprak, Ahmet (2007): Das schwache Geschlecht. Die türkischen Männer. Zwangsheirat, häusliche Gewalt, Doppelmoral der Ehre, 2. überarb. Aufl., Freiburg i.Br.
Toprak, Ahmet (2004): „Wer sein Kind nicht schlägt, hat später das Nachsehen“. Elterliche Gewaltanwendung in türkischen Migrantenfamilien und Konsequenzen für die Elternarbeit. Herbolzheim.
Toprak, Ahmet (2002): „Auf Gottes Befehl und mit dem Worte des Propheten …“ Auswirkungen des Erziehungsstils auf die Partnerwahl und die Eheschließung türkischer Migranten der zweiten Generation in Deutschland. Herbolzheim.
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Toprak, A. (2010). Gott als Lückenbüßer. In: Schneiders, T.G. (eds) Islamverherrlichung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92384-0_26
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Online ISBN: 978-3-531-92384-0
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