Zusammenfassung
Die Waldorfpädagogik versteht sich programmatisch als eine anthropologische, sich aus einem überzeitlichen Begriff vom Menschen und seiner Entwicklung her begründende Erziehungslehre. Mit ihrem Verständnis vom Wesen der verschiedenen Lebensalter (z.B. der Jahrsiebente der frühen und der mittleren Kindheit) gerät sie zunehmend in Konflikt mit den Auswirkungen tief greifender soziokultureller Wandlungsprozesse, welche sich bei der Gründung der ersten Freien Waldorfschule und bei der Konzeptualisierung ihrer Pädagogik durch Rudolf Steiner vor nunmehr neun Jahrzehnten noch nicht im Entferntesten abzeichneten. Sie lassen sich nur andeutungsweise mit den Schlagworten Medialisierung, Pluralisierung und Entstrukturierung der Kindheit bezeichnen. Am Beispiel der strikt »antizyklischen« anthroposophischen Medienpädagogik soll im Folgenden ein Feld markiert werden, auf dem das Kindheitsbild der Waldorfpädagogik in eine bedenkliche Gegenstellung zu Veränderungen in der gegenwärtigen Erziehungswirklichkeit geraten ist. Die Analyse der hiermit verbundenen Probleme sollte die Waldorfpädagogen dazu veranlassen, im Dialog mit den Erziehungswissenschaften ihren Begriff der Kindheit zu überprüfen und für die aktuellen empirischen Befunde zu öffnen.
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Ullrich, H. (2010). Das Konzept der Kindheit – ein aktuelles Problemfeld der Waldorfpädagogik. In: Paschen, H. (eds) Erziehungswissenschaftliche Zugänge zur Waldorfpädagogik. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92362-8_5
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