Zusammenfassung
Rasante Entwicklungen in den technischen und ökonomischen Bereichen haben in den letzten Jahrzehnten zu einem unaufhaltsamen und sich ständig weiter ausdifferenzierenden Wissenszuwachs geführt. Die spätmoderne Wissensgesellschaft konfrontiert uns dabei mit einer paradoxen Situation. Einerseits handelt es sich um eine Gesellschaft, in der immer mehr Wissen zusammen getragen wird. Andererseits ist ein beängstigender Zuwachs an Nicht-Wissen und Diffusität zu verzeichnen (Bormann/Gregersen 2007; Gamm 2000). Die Routine der Innovation wird von einer Unsicherheit und einem Orientierungsverlust begleitet. „Je bestimmter, das heißt analytisch differenzierter, genauer, man die Gegenstände oder Ereignisse beschreibt, desto unbestimmter, bloß wahrscheinlicher und mehrdeutiger wird das Wissen darüber, wie sich ein System oder Gegenstand tatsächlich verhalten wird. Je unbedingter Philosophie und Wissenschaften versuchen, etwas ganz sicher zu wissen, desto größer geraten die Unsicherheitsmargen. (…) Das jederzeit zu Berechnende wird gerade dadurch zum Unberechenbaren“ (Gamm 2000: 178). Folgen wir Gamm, so wird auf dem Weg des Wissenszuwachses – einer Sisyphusarbeit gleich – noch einmal versucht, die uns seit der Moderne abhanden gekommene Möglichkeit, unser Wissen und Handeln in einer äußeren, von uns unabhängigen objektiven Instanz (Gott, Natur, Selbst, Geschichte etc.) verankern zu können, an etwas Definitives rückzuadressieren. Die parallel mitschwingende Semantik des Risikos bringt die Fatalität, die mit diesem Versuch einhergeht, zum Ausdruck, insofern jeder Versuch einer punktgenauen Steuerung von Eingriffen und Handlungen, ad hoc mit einer neuen undurchsichtigen Problemmaterie konfrontiert wird. „Die Risikoheuristik ist Folge der Verwissenschaftlichung und Technisierung des Lebens“ (ebd.: 184). In den verschiedenen Wissenschaften hat die Kausalität ihre Welt erklärende Kraft somit längst eingebüßt, und doch wird der traditionelle Rekurs auf die Kausalgenese all unserer Wahrnehmungen und Erfahrungen noch lange nicht ad acta gelegt.
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Klein, R., Dungs, S. (2010). Einleitende Bemerkungen zur Standardisierung der Ressource Mensch. In: Klein, R., Dungs, S. (eds) Standardisierung der Bildung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92296-6_1
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