Zusammenfassung
Der Begriff »Euro-Islam« wird in Diskussionen über das gegenwärtige Leben der Muslime in Europa immer wieder verwendet. Er hat unterschiedliche Bedeutungen, die von der Position der Nutzer und dem Diskussionskontext in Bezug auf den Islam und Muslime abhängen. Bassam Tibi, der muslimische Politologe, beansprucht die Erfindung dieses Terminus und meint damit eine Brücke zum friedlichen Zusammenleben zwischen Muslimen und Europäern. Dafür müssen, seiner Meinung nach, die in Europa lebenden Muslime die Trennung der Religion vom Staat (Säkularität) akzeptieren. »Ein Euro-Islam ist vereinbar mit drei europäischen Verfassungsnormen: Laizität […], säkulare Toleranz […] und schließlich Pluralismus«, meint Tibi (2001: 18ff.). Er grenzt sich gegenüber Tarek Ramadan ab (ebd.). Für Letzteren bedeutet »Euro-Islam« die aktive Teilnahme der in Europa lebenden Muslime am gesellschaftlichen Leben und an kulturellen Projekten der Länder, in denen sie leben. Dadurch soll eine neue muslimische Identität entstehen, die gleichzeitig eine neue theologische Interpretation der Religion verlangt und die in Europa lebenden Muslime nicht zum Verzicht auf bestimmte Aspekte ihrer Identität zwingt (Ramadan 2001). Ramadan beschreibt den »Euro-Islam« in folgenden Worten: »Der ›europäische Islam‹ sollte also ein gelebter Islam sein, verbunden mit einer leidenschaftslos ausgeübten Staatsbürgerschaft« (ebd.). Ramadans Integrationsagenda erscheint vielen Forschern widersprüchlich und sieht konservativ aus, obwohl er sich als »Erneuerer« des muslimischen Denkens in Europa profiliert.
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Khalfaoui, M. (2010). Islamunterricht im europäischen Kontext. Gibt es einen »Euro-Islam« in der Schule?. In: Hunner-Kreisel, C., Andresen, S. (eds) Kindheit und Jugend in muslimischen Lebenswelten. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92237-9_13
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