Zusammenfassung
Wie können Wechselwirkungen und Überkreuzung von Ungleichheiten und Differenzen aufgrund sozialer und kultureller Herkunft, sexueller Orientierungen oder des Alters in theoretischen Ansätzen und methodologischen Überlegungen der Frauen- und Geschlechterforschung angemessen berücksichtigt werden? Was bedeutet die Einsicht, dass sich die Interessen zwischen Frauen aufgrund ihrer sozialen und kulturellen Herkunft, sexuellen Orientierungen, Religionszugehörigkeit oder des Alters unterscheiden, für handlungs- und praxisorientierte Konzepte und damit auch für erfolgreiche Geschlechterpolitik? Diese Erkenntnisinteressen, die in der Frauen- und Geschlechterforschung inzwischen eine beachtliche Tradition haben, erleben gegenwärtig unter dem griffigen Terminus „Intersektionalität“ eine unübersehbare Konjunktur. Der aktuellen Diskussionsrichtung wird für gesellschaftstheoretische und methodologische Auseinandersetzungen eine paradigmatische Qualität zugeschrieben (Degele/ Winker 2008; Knapp 2005a; 2005b). Welche Herausforderungen die aktuellen Debatten für gesellschaftliche Gestaltungsprozesse und handlungs- und praxisorientierte Gestaltungskonzepte bereit halten, werden erst allmählich ausgelotet. Auch wenn die Paradigmenfrage letztlich noch nicht entschieden ist, kann in jedem Fall prognostiziert werden, dass der Aufschwung der Intersektionalitätsperspektive in theoretischen und methodologischen Debatten in der Frauenund Geschlechterforschung und in den Queer Studies anhalten und sich noch intensivieren wird. Dies lässt sich auch für andere Forschungsfelder und Disziplinen vorhersagen, wie die Ungleichheitssoziologie oder die Ökonomie. Der Aufschwung wird auch die Diskussionen über handlungs- und praxisorientierte Gleichstellungskonzepte erreichen (Yuval-Davis et al. 2005; Verloo 2006; Knapp/ Klinger 2008; Knapp 2008; Aulenbacher/ Riegraf 2009).
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Literatur
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Riegraf, B. (2010). Intersektionen von Ungleichheiten und Differenzen: Kursbestimmung im Nebel zwischen Gesellschaftstheorie und politischem Gestaltungsanspruch. In: Böllert, K., Oelkers, N. (eds) Frauenpolitik in Familienhand?. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92200-3_4
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