Zusammenfassung
Das Konzept der sozialen Klassen war von zentraler Bedeutung nicht nur für die Beschreibungen sowjetsozialistischer Gesellschaftsstruktur, die im Rahmen des offiziellen, marxistisch-leninistisch geprägten Wissenschaftsbetriebes vorgelegt wurden, sondern auch für eine ganze Reihe von hauptsächlich marxistisch inspirierten Kritikern des Sowjetsozialismus. Während es sich im Falle ersterer mehr um dogmatische Pflichtübungen handelte, die in den innovativen Arbeiten (als eine ideologische Loyalitätsbekundung des Autors gegenüber der parteistaatlichen Führung) der Analyse neuartiger Phänomene vorangestellt wurden, griffen die Kritiker des Sowjetsystems auf dieses Konzept zurück, um den osteuropäischen Einparteienregimen den Spiegel der marxistischen Gesellschaftskritik vorzuhalten. Der Bezug auf diese Gesellschaftskritik wurde schließlich in den mittel- und osteuropäischen Ländern zu legitimatorischen Zwecken vereinnahmt. In der offiziellen sowjetischen Soziologie war das Konzept der sozialen Klassen, sofern es auf die Gesellschaften des sowjetsozialistischen Typs angewendet wurde, seiner fundamental-antagonistischen Dimension beraubt und durch Formulierungen wie „Klassenbündnis“ oder „nicht-antagonistische Klassen“ entschärft (Lane 1985: 148). Ivan Szelenyi (1978/9: 55) sprach deshalb von einer „apologetischen und konservativen Klassentheorie“. Die antagonistische Dimension stand hingegen im Vordergrund aller Versuche, die sowjetsozialistische Gesellschaft als eine „Klassengesellschaft“ kritisch zu analysieren. Die Klassentheorie des Sowjetsozialismus versuchte deshalb in erster Linie die Frage zu beantworten, ob es in der Sowjetunion sowie anderen Ländern des „Ostblocks“ eine „neue herrschende Klasse“ gab und wie gegebenenfalls ihr Charakter vor dem Hintergrund der besonderen sowjetischen Form sozio-ökonomischer Organisation zu begreifen wäre.
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© 2010 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH
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Mrowczynski, R. (2010). Kritische Sichtweisen auf die sowjetsozialistische Gesellschaftsstruktur. In: Im Netz der Hierarchien. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92156-3_4
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-92156-3_4
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-16960-6
Online ISBN: 978-3-531-92156-3
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