Zusammenfassung
Innerhalb der Kindheitsforschung existiert seit längerer Zeit eine Diskussion darum, wie und ob die Welt und das Erleben von Kindern aus der ForscherInnenperspektive Erwachsener adäquat erfasst werden könnten (vgl. etwa Honig/Leu/Nissen 1996; Honig/Lange/Leu 1999). Dieses so genannte Differenzproblem von Kindern und Erwachsenen als »Eigenart und Fremdheit«, so die These, ließe sich im Grunde nur mit dem von Lena Alanen vorgetragenen Konzept der generationalen Ordnung als methodologischem Leitbegriff einlösen (vgl. Alanen 1992, 1997; Honig 1999). Fazit dieser Diskussion war die Installation und Begründung einer »neuen Kindheitsforschung«, die sich als »Soziologie der Kindheit« verstand, »Kinder als Akteure« zu ihrem Ausgangspunkt machte, sich methodologisch mit den Perspektiven auf Kinder und Kindheit abmühte und das Verhältnis von »Erwachsenem« und »Kind« innovativ zu bestimmen versuchte (vgl. Honig/Lange/Leu 1999; auch Hengst/Kelle 2003). Insbesondere die forschungsmethodologischen wie -methodischen Konsequenzen aus dieser Diskussion waren (aus heutiger Sicht) fatal: Bestätigte die Diskussion doch einmal mehr, dass eine Forschung »vom Kinde aus« quasi unmöglich sei und die »Perspektive von Kindern« empirisch kaum einzunehmen sei. Inzwischen sind diese Diskussionen in eine etwas andere Richtung gelenkt worden. So hat etwa Burkhard Fuhs vorgeschlagen, zwischen Kindheit und Kindsein zu differenzieren: »Vor dem Hintergrund der Vieldeutigkeit des Begriffs Kindheit wäre es sinnvoll, zwischen Kindsein und Kindheit zu unterscheiden. Für eine ›Soziologie des Kindesalters‹ wäre der Begriff der Kinderforschung für den Kinderalltag, für Handlungssituationen aus der Perspektive von Kindern und die Sozialisationsprozesse zu reservieren. Kindheitsforschung würde dann ›das Kind‹ als Sozialstatus und kulturelles Muster im historischen Wandel der Generationenverhältnisse meinen und die Lebensverhältnisse von Kindern in den Blick nehmen (…) Kindsein betont in diesem Modell die Kinder als Akteure, während Kindheit (in einem engen Sinn) die Strukturmuster des Kinderlebens meint. Kindsein richtet sich auf die konkreten Alltagspraxen von Kindern, und Kinderforschung versucht, die Perspektive von Kindern zu rekonstruieren. Kindheit meint die Gesamtheit aller gesellschaftlichen Bedingungen des Kinderalters« (Fuhs 2004, S. 277).
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Alanen, L. (1992): Modern childhood? Exploring the »child question« in sociology. University of Jyväskylä: Kasvatustieteiden tutkimuslaitos.
Alanen, L. (1997): Soziologie der Kindheit als Projekt: Perspektiven für die Forschung. In: Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation (1997), Heft 17, S. 162–177.
Berg, C. (2004): Kind/Kindheit. In: Benner, D./Oelkers, J. (Hrsg.) (2004): Historisches Wörterbuch der Pädagogik. Weinheim u. Basel, S. 497–517.
Bock, K. (2008): Kinderalltag – Kinderwelten. Rekonstruktive Analysen von Gruppendiskussionen mit Kindern aus Sachsen. Opladen (im Druck).
Fuhs, B. (2004): Kindheit. In: Krüger, H.-H./Grunert, C. (Hrsg.) (2004): Wörterbuch Erziehungswissenschaft. Wiesbaden, S. 274–280.
Girtler, R. (2001): Methoden der Feldforschung. Wien, Köln u. Weimar.
Heinzel, F. (Hrsg.) (2000): Methoden der Kindheitsforschung. Ein Überblick über Forschungszugänge zur kindlichen Perspektive. Weinheim u. München.
Hengst, H./Kelle, H. (Hrsg.) (2003): Kinder – Körper – Identitäten. Theoretische und empirische Annäherungen an kulturelle Praxis und sozialen Wandel. Weinheim u. München.
Honig, M. S. (1999): Forschung »vom Kinde aus«? Perspektivität in der Kindheitsforschung. In: Honig, M. S./Lange, A./Leu, H. R. (Hrsg.) (1999): Aus der Perspektive von Kindern? Zur Methodologie der Kindheitsforschung. Weinheim u. Basel, S. 33–50.
Honig, M. S./Lange, A./Leu, H. R. (Hrsg.) (1999): Aus der Perspektive von Kindern? Zur Methodologie der Kindheitsforschung. Weinheim u. Basel.
Honig, M. S./Leu, H. R./Nissen, U. (Hrsg.) (1996): Kinder und Kindheit. Soziokulturelle Muster – sozialisationstheoretische Perspektiven. Weinheim u. München.
Lamnek, S. (1993): Qualitative Sozialforschung. Methoden und Techniken. Band 2. Weinheim.
Nentwig-Gesemann, I. (2006): Regelgeleitete, habituelle und aktionistische Spielpraxis. Die Analyse von Kinderspielkultur mit Hilfe videogestützter Gruppendiskussion. In: Bohnsack, R./Przyborski, A./Schäffer, B. (Hrsg.) (2006): Das Gruppendiskussionsverfahren in der Forschungspraxis. Opladen, S. 25–44.
Richter, R. (1997): Qualitative Methoden in der Kindheitsforschung. In: ÖZfS (1997), Heft 4, S. 74–98.
Vogl, S. (2005): Gruppendiskussionen mit Kindern: Methodische und methodologische Besonderheiten. In: ZA-Information (2005), 57, S. 28–60.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2010 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH
About this chapter
Cite this chapter
Bock, K. (2010). Feldnotizen über das Zustandekommen von Gesprächen mit Kindern oder: Die Ethnographin im Kinderbett. In: Heinzel, F., Thole, W., Cloos, P., Köngeter, S. (eds) „Auf unsicherem Terrain“. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92138-9_6
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-92138-9_6
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-15447-3
Online ISBN: 978-3-531-92138-9
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)