Zusammenfassung
Die Thematisierung von Gewalt im Geschlechterverhältnis richtete sich zunächst und v.a. auf die Gewalt gegen Frauen. Erste Publikationen aus England (vgl. Pizzey 1978), denen erste Berichte aus dem deutschen Sprachraum folgten (vgl. Benard/Schlaffer 1978, Frauenhaus Köln 1980), kündigten eine wichtige Veränderung im öffentlichen Denken über Gewalt im Privaten an: die dauerhafte und von heute aus gesehen endgültige Enttabuisierung eines Themas, das in der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft bisher strikt privat gehalten und in der Familienforschung ignoriert (vgl. Benard/Schlaffer 1978) worden war. Gewaltausübung gegen Frauen im „sozialen Nahraum“ (vgl. Godenzi 1996) bzw. Gewalt gegen mit dem Täter „bekannte“ Frauen (vgl. Hearn 1998) ist geschichtlich betrachtet ein „normales“ Element der bürgerlichen Ehe. Das gegen Ende des 18. Jahrhunderts erstmals kodifizierte bürgerliche Ehe- und Familienrecht bis hin zum deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) von 1900, das in Teilen bis heute gültig ist (vgl. Gerhard 1978), kennt das „Züchtigungsrecht“ des Ehemannes gegenüber der Ehefrau und die Verpflichtung der Ehefrau zum Geschlechtsverkehr unabhängig von ihrem Bedürfnis und ihrem Willen. Beides konnte erst in langwierigen Auseinandersetzungen aus dem BGB entfernt werden (vgl. Müller 2008).
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Müller, U. (2010). Gewalt. In: Becker, R., Kortendiek, B. (eds) Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92041-2_78
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