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Wie ungleich und wie ungerecht ist die Einkommensverteilung in Marktwirtschaften?

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  • 1927 Accesses

Zusammenfassung

Es ist eine Binsenwahrheit, dass die Einkommen in Marktwirtschaften ungleich verteilt sind. Keine Binsenwahrheit, sondern Gegenstand heftiger Kontroversen ist, ob die Ungleichverteilung der Einkommen in Gesellschaften mit marktwirtschaftlicher Ordnung auch ungerecht ist. Die Behauptung, die Verteilung der Einkommen in einem vermeintlich kaum noch sozialpolitisch gebändigten Kapitalismus sei ungerecht, stößt allerdings in der öffentlichen Diskussion auf breite Zustimmung. Zwar gibt es auch Gegenstimmen, aber sie haben Schwierigkeiten, sich Gehör zu verschaffen. Zu offensichtlich scheinen die großen, wenn nicht sogar abstoßend großen Einkommensunterschiede zwischen Arm und Reich in den entwickelten Gesellschaften des Westens. Einer populistischen Rhetorik fällt es nicht schwer, diese Unterschiede als ungerecht zu brandmarken. Für diese Rhetorik waren die Enthüllungen über die exorbitanten Einkommen der Vorstände von Finanzinstituten, die ihr Unternehmen in der Finanzkrise 2008 in den Abgrund geritten hatten, sozusagen ein „gefundenes Fressen”. Auch wenn die Gerechtigkeitsmaßstäbe einer derartigen Kritik nicht explizit gemacht werden (etwa: das Fünffache des Durchschnittseinkommens ist noch gerecht oder: Einkommen bis 500000 Euro sind noch gerecht) ändert dies nichts daran, dass sie in aller Regel ein leichtes Spiel hat. Im Folgenden geht es mir nicht darum, gravierende Einkommensunterschiede klein zu reden oder gar zu leugnen. Sie sind ein ganz unbestreitbares Faktum. Die Frage bleibt jedoch, woraus sie resultieren. Es geht darum, ein paar Argumente vorzustellen, die geeignet sein könnten, die so geläufige enge Verbindung zwischen Marktwirtschaft, Ungleichheit und Ungerechtigkeit aufzubrechen. Es gibt gute Gründe für die Auffassung, dass auf Konkurrenzmärkten eine bestimmte Idee der Gleichheit realisiert wird. Die Auslegung des Gleichheitsprinzips durch Märkte ist zwar nicht identisch mit einer strikt egalitaristischen Position, aber es handelt sich gleichwohl um eine mit Argumenten verteidigbare Idee. Mehr noch: wie aus dem folgenden klar werden sollte, können sich hinter einer strikt egalitären Einkommensverteilung Ungleichheiten von erhebli-chem Ausmaß verbergen. Es wäre also falsch, zwischen dem Wirken von Marktkräften und der Realisierung von Gleichheit unbesehen einen unversöhnlichen Gegensatz aufzubauen. Genauso falsch wäre es, Märkten jede Art von Gerechtigkeit abzusprechen. Wie Walzer (1983) in einem schönen Buch gezeigt hat, sind moderne Gesellschaften dadurch gekennzeichnet, dass ihre einzelnen Bereiche oder Sphären ganz unterschiedlichen Maßstäben der Gerechtigkeit unterliegen. So wie die Idee der Gerechtigkeit zwischen den gesellschaftlichen Teilbereichen variiert, so auch die Idee der Gleichheit. Märkte greifen gewiß nicht das gesamte Spektrum von Gleichheitsvorstellungen auf, aber gleichwohl stehen sie für eine wichtige Ausprägung der Gleichheitsidee. Falls dies richtig gesehen ist, müsste das so geläufige Vorurteil, mehr Markt bedeute zwangsläufig mehr Ungleichheit und damit mehr Ungerechtigkeit, überdacht werden.

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© 2009 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH

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Berger, J. (2009). Wie ungleich und wie ungerecht ist die Einkommensverteilung in Marktwirtschaften?. In: Der diskrete Charme des Marktes. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91978-2_5

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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