Wenn im Zusammenhang mit „Sozialpädagogik“ von einem „Theorie-Dilemma“, „Theoriedefizit“, „Theorieverlust“ etc. gesprochen wird, dann sollte mit Blick auf die Außenwirkung und interdisziplinäre Kommunikationsfähigkeit zunächst klar gestellt werden, worauf sich solche Beurteilungen eigentlich beziehen. Denn wer sich die gewöhnlich unter der Sammelbezeichnung „Sozialpädagogik“ subsumierten Objektbereiche und Handlungsfelder anschaut, wird wohl eher den Eindruck eines Theorienpluralismus gewinnen. Es gibt, um nur einige Felder zu nennen, Theorien zur Heimerziehung und zum Pflegekinderwesen, zur Sozialpädagogischen Familienhilfe, zur Jugendarbeit, Jugendpflege und Jugendgerichtshilfe, zur Tagesbetreuung und zu Tagesgruppen. Alle diese Objektbereichs-Theorien erfüllen in der Regel drei Kernfunktionen: sie sollen erstens das jeweilige Handlungsfeld ordnen und beschreibbar machen, sie sollen es zweitens dem empirischen Zugang öffnen und drittens zum Zwecke der professionellen Lehrbarkeit curricularisieren. Ihre Brauchbarkeit zur Erfüllung der Kernfunktionen mag unvollkommen sein; das aber ist nicht gemeint, wenn von einem Theorieproblem der Sozialpädagogik gesprochen wird, gemeint ist auch nicht ein Mangel an metatheoretischen Versuchen zur Sozialpädagogik.
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Reyer, J. (2009). Sozialpädagogik – Plädoyer zur Historisierung eines Inszenierungsdilemmas. In: Mührel, E., Birgmeier, B. (eds) Theorien der Sozialpädagogik – ein Theorie-Dilemma?. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91970-6_14
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