Auszug
Vor etlichen Jahren bemerkte Karl Marx irgendwo, dass Hegel irgendwo bemerke, „daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce“. Die Rede von einer möglichen Wiederkehr einer politischen Literaturwissenschaft impliziert also die Drohung oder die Sorge, es könne sich dabei um eine Farce handeln. Dennoch ist nach der allmählichen Emeritierung der um 1968 ordinierten und aus den damaligen Studentenbewegungen stammenden Professoren eine neue Generation von professionellen Literaturwissenschaftlern entstanden, die sich mit den politischen Vorgaben ihrer Lehrer so oder so auseinandersetzen mussten. Die Auseinandersetzung zwischen akademischen Lehrern und ihren Schülern nimmt dabei in der Regel ödipalen Charakter an, und um auf eigenen Beinen zu stehen, muss wiederum der Regel gemäß der Vater auf die ein oder andere Weise getötet werden, und zudem braucht es eine schützende Brüderhorde. Wie dieser intellektuelle Vatermord nun aussieht, lässt sich nur im Einzelfall ausmachen, da es ja verschiedenste Umgehensweisen der einstigen Linksradikalen, wie man sie heutzutage wohl problemlos nennen würde, mit ihrer Vergangenheit gibt: vom bekennenden Altjakobinertum über gepflegte Ignoranz bis hin zum vehementen Seitenwechsel ins bürgerlich-konservative Lager. Entsprechend diversifiziert sind die Reaktionen der Söhne und Töchter, die sich auf die jeweils vorgegebenen Standpunkte auch noch unterschiedlich beziehen können: von radikalen Gegenhaltungen bis hin zur emphatischen Annahme eines Erbes. Und das Erbe ruht nicht, es lastet, es drängt zur Bewältigung.
Karl Marx: ‚Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte’, in: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hg.): Marx Engels Werke, Bd. 8, Berlin 1960, S. 111–207; hier S. 115.
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Literatur
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Jäger, C. (2008). Revolte und Reversion oder Die an/ausstehende Repolitisierung der Literaturwissenschaft. In: Thuswaldner, G. (eds) Derrida und danach?. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91822-8_9
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