Auszug
Im Kapitel 3 wurden die empirischen Ergebnisse zur Akzeptanz und zum Mobilitätsverhalten der Städte dargestellt, die Straßenbenutzungsgebühren tatsächlich eingeführt oder umfangreich getestet haben. Dieses Kapitel beschäftigt sich nun mit den theoretischen Ansätzen und den dazugehörigen empirischen Befunden zu Straßenbenutzungsgebühren, um die Ergebnisse der Städte erklären zu können. Das Ziel ist es, im Kapitel 5 konkrete Hypothesen zur Akzeptanz und zum Mobilitätsverhalten nach der Einführung städtischer Preissysteme abzuleiten.
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Im Rahmen der Forschung zur sogenannten Low-Cost-Hypothese des Umweltverhaltens (Diekmann & Preisendörfer, 1992) konnte beispielsweise gezeigt werden, dass der Verkehrs-und Mobilitätsbereich im Gesamtfeld des persönlichen Umweltverhaltens eine Sonderstellung einnimmt. Das bedeutet, das Verhaltensänderungen in diesem Bereich als besonders aufwändig erlebt werden (sogenannte High-Cost Situation). In solchen High-Cost Situationen haben beispielsweise Einstellungen, wie das Umweltbewusstsein, und entsprechende Interventionsmaßnahmen wenig Einfluss auf das Verhalten (vgl. z. B. Diekmann & Preisendörfer, 1998; Preisendörfer, Wächter-Scholz, Franzen, Schad & Rommerskirchen, 1999; Schahn & Möllers, 2005).
Ein ähnliches Modell schlagen bereits Salomon und Mokhtarian (1997) sowie Mokhtarian, Raney und Salomon (1997) für die Anpassung des Mobilitätsverhaltens an die zunehmenden Verkehrsstaus in Städten vor. Auch sie schlagen eine Klassifikation der möglichen Anpassungsstrategien nach ihrem zeitlichen Horizont (kurz-, mittel-und langfristig) sowie den damit verbundenen psychologischen Kosten vor. Die Auswahl der Strategien erfolgt so, dass zuerst die kurzfristigen, die Fahrten effizienter gestaltenden und mit den geringsten psychologischen Kosten verbundenen Strategien genutzt werden (z. B. der Einbau eines Autoradios oder die Anschaffung eines Mobiltelefons). Erst wenn diese nicht zum gewünschten Ziel führen, werden kostenintensivere, mittel-und langfristige Anpassungsstrategien genutzt, die stärker in den Lebens-und Arbeitsalltag eingreifen (z. B. die Anpassung der Arbeitszeit im Rahmen von Gleitzeit oder Telearbeit). Im Unterschied zu Loukopoulos und Kollegen nehmen die Autoren an, dass bereits die schlechten Verkehrsverhältnisse die Pkw-Nutzer entsprechend motivieren, während Loukopoulos eine Zielsetzung zur Pkw-Reduktion als Voraussetzung für entsprechende Anpassungen ansieht. Des Weiteren beschränken sich Salomon und Mokhtarian auf Fahrten von und zur Arbeit oder Ausbildungsstätte. Andererseits nehmen sie zeitlich eine umfassendere Perspektive ein und beziehen auch langfristige Anpassungsstrategien, wie z. B. den Umzug oder die Aufgabe des Arbeitsplatzes in ihre Untersuchungen mit ein. Auch die psychologischen Kosten werden umfassender definiert. So beziehen Salomon und Mokhtarian nicht nur persönlichen Aufwand mit ein, sondern auch den Aufwand, der Familienmitgliedern oder der Gesellschaft als Ganzes durch die Anpassung entstehen können.
Gegenwärtig wird ein sogenanntes Unimodell der Einstellungsänderung diskutiert (Erb & Kruglanski, 2005). Ausgangspunkt ist die Annahme, dass eine Einstellungsänderung durch einen einzigen psychologischen Prozess, nämlich die Verknüpfung von aktuellen Informationen und Hintergrundwissen zu einer Schlussfolgerung, zustande kommt. Jede beliebige Information kann dafür herangezogen werden, sowohl inhaltliche Argumente als auch periphere Hinweisreize. Allerdings geht auch dieses Modell von unterschiedlicher Informationsverarbeitung in Abhängigkeit von der Motivation und Fähigkeit des Rezipienten aus. Bei geringer Motivation werden vor allem einfach zu verarbeitende Informationen zur Einstellungsänderung genutzt, während bei hoher Motivation bzw. Aufwand auch Informationen urteilsrelevant werden, deren Verarbeitung komplexe kognitive Operationen erfordern (Kruglanski & Thompson, 1999). Die empirische Überprüfung dieses Modells ist allerdings noch nicht abgeschlossen und somit dessen Perspektive noch weitgehend offen (Albarracín, Johnson & Zanna, 2005). Daher wird es an dieser Stelle nicht weiter verfolgt.
Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die ursprüngliche Formulierung der Theorie. Obwohl in der Zwischenzeit verschiedene Konkretisierungen vorgeschlagen wurden, orientiert sich diese Arbeit an den Grundlagen, wie sie von Festinger formuliert wurden (vgl. Eagly & Chaiken, 1993 und Olson & Stone, 2005 für einen Überblick). Der gegenwärtige Forschungsstand zu städtischen Straßenbenutzungsgebühren erlaubt m.E. nach keine entsprechenden Einschränkungen und würde die theoretische Perspektive nur unnötig verengen.
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© 2009 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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(2009). Psychologische Erklärungsansätze zu Straßenbenutzungsgebühren. In: Straßenbenutzungsgebühren in Städten. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91818-1_4
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91818-1_4
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-16333-8
Online ISBN: 978-3-531-91818-1
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