Auszug
Beim Pazifismus haben wir es zunächst mit einem Bekenntnis und mit einer Stigmatisierung zu tun. Bekennen sich Individuen und Gruppen zum Pazifismus, so geben sie damit anderen zu verstehen, dass sie ihre eigenen Absichten und Handlungsmethoden dem Frieden zuordnen, was nur Sinn macht als Kontrastaussage gegenüber anderen Ansichten und Handlungsmethoden, die wirklich oder vermeintlich der Gewalt und dem Krieg zuarbeiten. Die polarisierende Wirkung der pazifistischen Kommunikation ist im Schema angelegt, mit dem die Lehre oder Bewegung operiert und ist keineswegs de Folge einer — vermeidbaren — Verteufelung politisch Andersdenkender als „Militaristen“ oder „Bellizisten“. Als Perzeptionsmuster macht sich die pazifistische Selbstbeschreibung dabei unabhängig von der Selbstbeschreibung derer, die in einem konkreten Konflikt die „guten Gründe“ anders interpretieren. Die historischen Beispiele zeigen, dass es im Falle des bekennenden säkularen Pazifismus häufig nur eine Ablehnung gewaltsamer Formen des Konfliktaustrags bezogen auf ganz konkrete Konflikte gibt, sodass sich der im eigentlichen Sinne moderne nichtreligiöse Pazifismus weniger als Phänomen sui generis beschreiben lässt. Spiegelbildlich richtet sich auch die Fremdbeschreibung ausschließlich auf unterschiedliche Strategieempfehlungen; sie richtet sich jedoch nicht auf die prinzipielle Einstellung zur Gewalt. „Der Pazifismus“ ist unter dem Eindruck des 2. Weltkrieges und den zu erwartenden verheerenden Folgen eines siegreichen Nationalsozialismus von seiner bisherigen Position abgerückt und hat nicht länger auf diplomatischen Methoden insistiert. Dieselbe Unsicherheit macht sich heute unter dem Eindruck einer diametralen, nämlich einer Siegesstimmung, breit, die den Liberalismus nach dem Ende des Systemantagonismus ganz neue Gestaltungschancen wahrnehmen lässt.
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(2008). Postmoderner Pazifismus. In: Pazifismus als Diskurs. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91785-6_6
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