Auszug
In einem lehr- und kenntnisreichen Grundsatzartikel „Homo oeconomicus und homo sociologicus. Die Schreckensmänner der Sozialwissenschaften“ hat Peter Weise (1989) den Gegensatz zwischen der ökonomischen und der soziologischen Analyse gesellschaftlicher Ordnungsprobleme, also vor allem auch von Institutionen, durch die pointierte Gegenüberstellung der nicht nur nach seiner Meinung in beiden Wissenschaften konträren „Menschenbilder“ (gemeint ist damit der analytische Problemzugang) beschrieben. Das Problem der sozialen Ordnung besteht für ihn in der Lösung der „in einer Welt der Knappheit entstehen(den) Koordinations- und Konfliktlösungsprobleme“ (ebd.: 149). Die dabei auftretende soziale Interdependenz kann in ihrer Vielfalt nie exakt erfasst werden und daher unterscheidet Weise idealtypisch zwischen der Welt der Soziologen, in der die in jeder bestimmten Situation durchzuführenden Handlungen vorgeschrieben sind (und just diese führt dann der homo sociologicus aus), und der Welt der Ökonomen, in der alle Handlungen erlaubt sind, in der aber auch alle Handlungsfolgen vom Handelnden über ein interdependentes System von (Konkurrenz-)Märkten wertgleich entschädigt werden müssen; dies ist bekanntlich das Feld des auf seinen Eigennutz bedachten homo oeconomicus, dessen Vorteilsstreben gerade durch den meist als perfekt gedachten Wettbewerb in gesellschaftlich nützliche Bahnen gelenkt wird.1
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Becker, Gary S. (1993): Der ökonomische Ansatz zur Erklärung menschlichen Verhaltens. 2. Aufl. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck).
Berger, Johannes (1999): Die Wirtschaft der modernen Gesellschaft: Strukturprobleme und Zukunftsperspektiven. Frankfurt/M./New York: Campus.
Berger, Johannes/ Hans G. Nutzinger (2008): Zum Verhältnis von Macht’ und ökonomischem Gesetz’. In: Macht oder ökonomisches Gesetz? Zur Aktualität einer gesellschaftspolitischen Kontroverse. Jahrbuch Ökonomie und Gesellschaft. Band 21. Marburg: Metropolis-Verlag, S. 7–60.
Beschorner, Thomas/ Hans G. Nutzinger (2007): Umrisse einer kulturwissenschaftlichen Wirtschafts-und Unternehmensethik. In: Thomas Beschorner et al.: Unternehmensverantwortung aus kulturalistischer Sicht. Marburg: Metropolis-Verlag, S. 223–246.
Blümle, Gerold et al. (Hrsg.) (2004): Perspektiven einer kulturellen Ökonomik. Münster: LIT Verlag.
Braverman, Harry (1977): Die Arbeit im modernen Produktionsprozess. Frankfurt/M./New York: Campus.
Durkheim, Emile (1893/1988): Über soziale Arbeitsteilung. Studie über die Organisation höherer Gesellschaften. 2. Aufl. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Eberle, Martin (2008): Verstehende Wirtschaftsethik. Max Webers Studien zum antiken Judentum in theologisch-ethischer Perspektive. Berlin: LIT Verlag.
Egidi, Massimo/ Salvatore Rizzello (Hrsg.) (2004): Cognitive Economics 1. Cheltenham/ UK/Northampton/Mass.: Edward Elgar.
Ellerman, David (2004): Helping People Help Themselves. From the World Bank to an Alternative Philosophy of Development Assistance. Ann Arbor: The University of Michigan Press.
Erlei, Mathias/ Martin Leschke/ Dirk Sauerland (1999): Neue Institutionenökonomik. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag.
Esser, Hartmut (2000): Soziologie. Spezielle Grundlagen. Band 5: Institutionen. Frankfurt /M./New York: Campus.
Feldmann, Horst (1998): Eine institutionalistische Revolution? Zur dogmenhistorischen Bedeutung der modernen Institutionenökonomik. In: Volkswirtschaftliche Schriften, Heft 448. Berlin: Duncker & Humblot.
Festinger, Leon (1957): A Theory of Cognitive Dissonance. Stanford: Stanford University Press.
Frey, Bruno S. (1999): Ökonomie ist Sozialwissenschaft. Die Anwendung der Ökonomie auf neuen Gebieten. München: Vahlen.
Fukuyama, Francis (1992): Das Ende der Geschichte. München: Kindler.
Hayek, Friedrich August von (1980): Recht, Gesetzgebung und Freiheit. Landsberg/Lech: Verlag moderne industrie.
Held, Martin/ Hans G. Nutzinger (Hrsg) (1999): Institutionen prägen Menschen. Bausteine zu einer allgemeinen Institutionenökonomik. Frankfurt/M./New York: Campus.
Holmstrom, Bengt/ Paul Milgrom (1987): Aggregation and Linearity in the Provision of Intertemporal Incentives. In: Econometrica. Band 55, S. 302–332.
Homann, Karl (2006): Wirtschaftsethik: ökonomischer Reduktionismus? Vortrag auf der Jubiläumssitzung des Ausschusses „Wirtschaftswissenschaften und Ethik“ des Vereins für Socialpolitik am 11.03.2006 in der Universität Hohenheim. Überarbeitetes Manuskript.
Huntington, Samuel P. (2006): Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert. Hamburg: Spiegel-Verlag.
Kuhn, Thomas S. (1973): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Leipold, Helmut (2006): Kulturvergleichende Institutionenökonomik. Studien zur kulturellen, institutionellen und wirtschaftlichen Entwicklung. Stuttgart: Lucius & Lucius.
Marx, Karl (1859/1961): Zur Kritik der politischen Ökonomie. Vorwort. In: MEW 13. Berlin: Dietz, S. 7–11.
Marx, Karl (1867/1956): Das Kapital. Kritik der Politischen Ökonomie. Band 1, MEW 23. Berlin: Dietz.
Maurer, Andrea/ Michael Schmid (Hrsg.) (2002): Neuer Institutionalismus. Zur soziologischen Erklärung von Organisation, Moral und Vertrauen. Frankfurt/M./New York: Campus.
Mill, John Stuart (1844/2008): Einige ungelöste Probleme der politischen Ökonomie. Marburg: Metropolis.
North, Douglass C. (1988): Theorie des institutionellen Wandels. Eine neue Sicht der Wirtschaftsgeschichte. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck).
North, Douglass C. (1992): Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck).
North, Douglass C. (1993): The Paradox of the West. http://econwpa.wustl.edu:80/eps/ eh/papers/9309/9309005.pdf.
Nutzinger, Hans G. (1976): The Firm as a Social Institution: The Failure of the Contractarian Viewpoint. In: Economic Analysis and Workers’ Management 10, S. 217–237.
Nutzinger, Hans G. (1997): ‚Homo oeconomicus’. Reichweite und Grenzen der ökonomischen Verhaltenstheorie. In: Zeitschrift für Evangelische Ethik 41(2), S. 84–98.
Nutzinger, Hans G. (1999): Individualismus ohne Individuen, Willensfreiheit ohne Willen. Kritik zum Hauptartikel von Mario von Cranach und Alex Ammann: „Die Annahme der Willensfreiheit und ihre Konsequenzen für die Sozialwissenschaften“. In: Ethik und Sozialwissenschaften-Streitforum für Erwägungskultur 10(2), S. 312–314.
Nutzinger, Hans G. (2002): Note on B. Holmstrom/P. Milgrom: Aggregation and Linearity in the Provision of Intertemporal Incentives. http://www.ivwl.unikassel.de/nutzinger/Econometrica.pdf.
Reuter, Norbert (1996): Der Institutionalismus. Geschichte und Theorie der evolutionären Ökonomie. 2. Aufl. Marburg: Metropolis.
Richter, Rudolf/ Eirik G. Furubotn (2003): Neue Institutionenökonomik. Eine Einführung und kritische Würdigung. Tübingen: Mohr Siebeck.
Schluchter, Wolfgang (2000): Individualismus, Verantwortungsethik und Vielfalt. Weilerswist: Velbruck Wissenschaft.
Schmid, Michael/ Andrea Maurer (Hrsg.) (2003): Ökonomischer und soziologischer Institutionalismus. Interdisziplinäre Beiträge und Perspektiven der Institutionentheorie und-analyse. Marburg: Metropolis.
Smith, Adam (1776/1976): An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (The Glasgow Edition of the Works and Correspondence of Adam Smith). Oxford: Oxford University Press.
Smith, Adam (1776/2005): Untersuchung über Wesen und Ursachen des Reichtums der Völker. Tübingen: Mohr Siebeck.
Smith, Adam (1759/1976): The Theory of Moral Sentiments (The Glasgow Edition of the Works and Correspondence of Adam Smith). Oxford: Oxford University Press.
Smith, Adam (1759/1994): Theorie der ethischen Gefühle. Hamburg: Felix Meiner.
Voigt, Stefan (2002): Institutionenökonomik. München: W. Fink.
Weber, Alfred (1910/2000): Vorwort (von Heinrich Herkner, Gustav Schmoller und Alfred Weber) zu: Marie-Bernays: Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie. In: AWG. Band 5, S. 437–447.
Weber, Max (1920/1993): Die protestantische Ethik und der Geist’ des Kapitalismus. Bodenheim: Athenaum Hain Hanstein.
Weber, Max (1922/1972): Wirtschaft und Gesellschaft. 5. rev. Aufl. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck).
Weber, Max (1991): Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Konfuzianismus und Taoismus. Schriften 1915-1920. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck).
Weber, Max (1998): Zur Psychophysik der industriellen Arbeit. Schriften und Regeln 1908-1912. Studienausgabe der MWG. Band I/1 1. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck).
Weise, Peter (1989): Homo oeconomicus und homo sociologicus. Die Schreckensmänner der Sozialwissenschaften. In: Zeitschrift für Soziologie 80, S. 148–161.
Weise, Peter et al. (2005): Neue Mikroökonomie. 5. Aufl. Heidelberg: Physica Verlag.
Williamson, Oliver E. (1975): Markets and Hierarchies. Analysis and Antitrust Implications. New York: Columbia University Press.
Williamson, Oliver E. (1990): Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck).
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2009 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Nutzinger, H.G. (2009). Institutionen verstehen: Zur Integration von ökonomischer und soziologischer Betrachtungsweise. In: Stachura, M., Bienfait, A., Albert, G., Sigmund, S. (eds) Der Sinn der Institutionen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91781-8_5
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91781-8_5
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-15818-1
Online ISBN: 978-3-531-91781-8
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)