Zusammenfassung
Ein Blick aus den Fenstern des Elfenbeinturms hinab in die unerschöpflichen Gewässer menschlicher (Beratungs-)Praxen offenbart bisweilen ein höchst chaotisches Bild. Nicht nur, dass – aus diesen distanzierten Höhen – vieles etwas unscharf und verschwommen erscheint, und dadurch mit bloßem Auge nur äußerst schwer eindeutig zu erkennen ist, sondern auch die hektische Dynamik, die dort unten herrscht, wird wohl so manchem, der mit einer gewissen Distanz die Evolutionssprünge einzelner Gattungen personenbezogener (Beratungs-)Dienstleistungen beobachtet, schon etwas Kopfzerbrechen bereiten (vgl. dazu auch Birgmeier 2008b). Denn alles dort unten fließt (Heraklit) … und alles dort unten coacht! Wie, so mag sich der Wissenschaftler all diesen beratungsbezogenen Verwässerungen und heuristisch-semantischen Verschwommenheiten gegenüber fragen, kann er ob solcher „Un(be)greifbarkeiten“ seinem eigentlichen Auftrag gerecht werden, ein exaktes Wissen – auch über die Vielfalt und die Wirklichkeit menschlicher Praxen – zu schaffen, zu sammeln und zu systematisieren, wenn der Untersuchungsgegenstand aufgrund seines flüssigen Aggregationszustandes einfach nicht stillhalten will? Vorbei scheint ihm die Zeit, als die Untersuchungsgegenstände noch „Objekte“ waren, die unbeweglich, erstarrt und numerisch relativiert deskriptiv und präskriptiv verankert werden konnten und mit Hilfe der Erkenntnistheorie zu Tatsachen gebündelt auf vielen Inseln in diesem uferlosen Meer der Wirklichkeit(en) „abgelegt“ und beherbergt wurden; Inseln, die ihrer Funktion gemäß den Auftrag zu erfüllen vermochten, auch schiffbrüchig gewordenen Rat- und Kopflosen einen Platz im uferlosen Meer der Praxis anzubieten, der ihnen auf mannigfaltige Weise Halt, Orientierung, Gewissheit, Bestand und einen festen Boden unter den Füßen versprach.
Mit der Titelei Coaching in Fußnoten soll v.a. auf die Dialektik zwischen „Kopf“ und „Fuß“ im Coaching und den darin enthaltenen, stark an Hegel und Karl Marx erinnernden Streit über die Aufgabe der Philosophie verwiesen werden. Wenn es – wie es K. Marx vorschlug – darauf „ankömmt“, die Welt zu verändern, dadurch etwas vom Kopf auf die Füße zu stellen, also in die Praxis umzusetzen, stellt sich (mit etwas Phantasie) – auch für Coaching – (erneut) die Frage, welche Rolle dabei der Kopf (und darin: die Theorie) einnimmt. Wie „kopflos“ verläuft die Coaching-Praxis wirklich, v.a. dann, wenn (auch im Coaching) davon auszugehen ist, dass „nicht Hegel auf dem Kopf steht, sondern Marx und Engels, die den Kopf abtrennten und sich dann einbildeten, dass der enthauptete Torso der Dialektik noch lebens- und bewegungsfähig wäre“ (Harris 1993, 11)?
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Birgmeier, B. (2009). Coaching in Fußnoten! – Ein Essay zum Coaching, zum Wissen und zum Coachingwissen. In: Birgmeier, B. (eds) Coachingwissen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91766-5_1
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