Zum festen Bestandteil der politischen Kommunikation in den letzten Jahren gehört immer wieder die Behauptung, es gebe eine “Amerikanisierung” der Bundestagswahlen, ja der Politik insgesamt. Die politischen Feuilletons großer Tageszeitungen schmücken sich mit immer neuen “Belegen” für diese Orientierung der Politiker an den USA. Einig sind sich die meisten Kommentatoren auch in ihren Bewertungen: Vor der “Amerikanisierung” muss gewarnt werden. Das Lamento erhält Futter von denjenigen Parteien, deren Wahlchancen jeweils als ungünstig erscheinen. Auch sie beklagen wortreich den Amerikanisierungstrend – der meist beim politischen Gegner verortet wird. Dabei dient “Amerikanisierung” als Synonym für Entpolitisierung. Politik, so der Vorwurf, werde sinnentleert, Themen würden immer stärker in den Hintergrund gedrängt, Sachentscheidungen blieben auf der Strecke. Wahlen seien reine Marketing- Events, entworfen und gestylt von Spin-Doctors, die im Hintergrund wirken und ihre Kandidaten mediengerecht “verpacken”. Diese Entpolitisierung sei aus demokratietheoretischer Sicht eine Gefahr, denn schließlich habe sich der Wähler bei seiner Stimmabgabe an den politischen Positionen der Parteien und der Kandidaten zu orientieren.
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Brettschneider, F. (2009). Die “Amerikanisierung” der Medienberichterstattung über Bundestagswahlen. In: Gabriel, O.W., Weßels, B., Falter, J.W. (eds) Wahlen und Wähler. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91666-8_21
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