Andere zu verstehen gehört in unserem privaten und beruflichen Alltag zu den selbstverständlichen Anforderungen und prägt unser soziales Zusammenleben entscheidend. Im Alltag meinen wir mit Verstehen nicht nur, dass wir die verbalen Aussagen unseres Gegenübers intellektuell erfasst haben, sondern auch: Verständnis, Empathie, mitfühlendes Nacherleben. Nahe beim Verstehen liegen damit auch die Zuneigung und die Liebe. Verstehen ist dabei nicht nur ein intellektuelles Unternehmen, sondern wir brauchen alle unsere Sinne, um zu hören, zu sehen, zu begreifen und den Sinn zu erfassen. Vorausgesetzt wird, dass ein wechselseitiges Verstehen möglich ist und sich ereignet. Diese Annahme ist Teil unseres Alltagsverständnisses und bildet die Basis für den zwischenmenschlichen Umgang. Gegenseitiges Verstehen korrespondiert oft mit einer gemeinsamen Vergangenheit, geteilten Lebenswelt, ähnlichen sozialen Herkunft, biographischen Erfahrungen sowie dem Wissen über einen Anderen, über sein Leben, seine Lebensumstände und seine persönliche Geschichte. Verstehensprobleme resultieren häufig aus Fremdheit, Unvertrautheit mit dem anderen, mit der sozialen oder kulturellen Situation oder Distanz zwischen Generationen oder Angehörigen unterschiedlichen Geschlechts. Erst im Streit- oder Konfliktfall beginnen wir das Verstehen kritisch zu hinterfragen, wobei das Missverstehen häufig in persönliche und gesellschaftliche Konfliktsituationen führt.
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Literatur
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Friebertshäuser, B. (2009). Verstehen als methodische Herausforderung für eine reflexive empirische Forschung. In: Friebertshäuser, B., Rieger-Ladich, M., Wigger, L. (eds) Reflexive Erziehungswissenschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91645-3_13
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