Zweifel an der Solidarität der modernen Gesellschaft sind ein fester Bestandteil sozialwissenschaftlicher und politischer Diskurse. Diese konstante Suche nach Solidarität bringt zum Ausdruck, dass sich moderne Gesellschaften über die fortbestehende Möglichkeit wie auch über die Beschaffenheit eines ‚sozialen Bandes‘ vergewissern müssen, da Bindungskräfte wie ‚Gemeinschaft‘ zu Recht bezweifelt werden. Wie der Zusammenhalt einer hochdifferenzierten Gesellschaft möglich ist, war für die Soziologie eines jener Probleme, an dem sie sich als eigenständiges Fach konstituierte. Denn die Lösungsvorschläge der ‚Gründerväter‘ entwickelten eine eigenständig soziologische Antwort in Abgrenzung zu den damals vorhandenen ökonomischen Erklärungen für sozialen Zusammenhalt selbst unter Marktakteuren, die prinzipiell nur durch individuelle Interessen geleitet seien. Die Soziologie begann in einer Phase über das ‚soziale Band‘ nachzudenken, in der die Möglichkeit solidarischer Verbindungen grundsätzlich bezweifelt wurde. Der Name Ferdinand Tönnies und seine Gegenüberstellung von ‚Gemeinschaft und Gesellschaft‘ steht exemplarisch für die Position, für die sich unter den in modernen Gesellschaften dominierenden Marktakteuren nur noch kurzfristige, antagonistische Austauschbeziehungen entwickeln, aber darüber hinaus keinerlei Kollektivität. Neben der Marktvergesellschaftung machte man die zunehmende ‚Arbeitsteilung‘ für den Zerfall von Solidarität verantwortlich. Diversifizierte, nach verschiedenen Eigenlogiken operierende gesellschaftliche Sphären ließen gemeinsame, verbindliche Traditionen erodieren (Berger 1989). Ein ‚steuerndes Zentrum‘ (Luhmann) sei unwiderbringlich verloren. An die Stelle gemeinschaftlicher, tradierter kultureller Werte trete nun eine Pluralität an Überzeugungen. Zudem lasse Individualisierung die zuvor gegebenen gemeinsamen Werte erodieren.
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© 2009 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH
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Dallinger, U. (2009). Einleitung. In: Die Solidarität der modernen Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91644-6_1
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91644-6_1
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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