Wissenschaftsanspruch und Weltanschauung: Soziologie an der Universität Jena 1933 bis 1945

Bei der Beschreibung „der nationalsozialistisch orientierten oppositionellen Gruppierung“ in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) heißt es bei Otthein Rammstedt, sie habe „ihr Zentrum 1933 nicht zufällig in Jena, jener Universität, die unter dem ersten nationalsozialistischen Minister in der Weimarer Republik seit 1930 Berühmtheit erlangte: Die Durchsetzung eines ‚Lehrstuhls für menschliche Züchtungskunde’, später verharmlost zu ‚Lehrstuhl für Sozialanthropologie’, für Hans F. K. Günther war das erste Zeichen einer NS-Hochschulpolitik durch den thüringischen Innen- und Volksbildungsminister Wilhelm Frick“ (Rammstedt 1986: 17). Als weitere Belege dafür, dass Jena das bewusste Zentrum sei, führt Rammstedt an, der Jenaer Rechtswissenschaftler und Soziologe Franz Wilhelm Jerusalem habe im Jahr 1933 gegen die Leitung der DGS polemisiert und angegeben, den bekannten NS-Weltanschauungstheoretiker Ernst Krieck, Rektor der Universität Frankfurt am Main und derzeitiger Obmann des Amtes für nationalsozialistische Wissenschaft und Erziehung im Reichsverband der deutschen Hochschulen, neben dem ebenso bekannten Leipziger Soziologen Hans Freyer als Referenten „für eine andersartige Tagung der DGS gewonnen“ zu haben. Zusammen mit seinem Assistenten Reinhard Höhn, Günther, Krieck und dem Hamburger Soziologen Andreas Walther habe er schließlich die Einladung zum Jenaer Soziologentreffen im Januar 1934 unterschrieben. Außerdem habe Höhn ein Rundschreiben verfasst, in dem eine Neugründung der DGS angekündigt werde.