Zusammenfassung
Im Jahr 2004 kürte eine Jury aus Sprachkritikern den Begriff ›Humankapital‹ zum ›Unwort des Jahres‹. Gerügt wurde, dass sich der Gebrauch dieses Wortes aus der Wirtschaftsfachsprache zunehmend auch in nichtfachlichen Bereichen ausbreite und damit die primär ökonomische Bewertung aller denkbaren Lebensbezüge fördere. Der Mensch werde damit zu einer nur noch ökonomisch interessanten Größe degradiert. In der aktuellen öffentlichen Diskussion entstand dann der Eindruck, als ob der Begriff Humankapital eine Erfindung profitversessener Neoliberalisten aus den 1990er Jahren sei. Doch es handelt sich um einen Begriff mit Vergangenheit: Im 17. und 18. Jahrhundert galt die Größe der Bevölkerung als wichtiger Indikator für die militärische Macht eines Staates und zugleich als Anhaltspunkt für die ökonomische Planung und damit zur Vermeidung von Armut. Im Zuge der Industrialisierung interessierte Ökonomen, Politiker und Mediziner schon bald nicht mehr allein die Menge sondern auch die Qualität der Bevölkerung. Im industriellen Arbeitsprozess wurde nun auch der Mensch als Produktionsfaktor betrachtet.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literaturverzeichnis
o.A. 1925: Anwachsen der Zahl der Geisteskranken, in: Psychiatrisch-neurologische Wochenschrift, 27, 7.
Abelshauser Werner; Faust, Anselm 1983: Wirtschafts- und Sozialpolitik, Eine nationalsozialistische Sozialrevolution, Tübingen.
Ammon, Otto 1893: Die Körpergrösse der Wehrpflichtigen im Groß-Herzogtum Baden in den Jahren 1840 – 1864 dargestellt auf Grund der Rekrutierungslisten für Gemeinden, Amtsbezirke und Kreise, Karlsruhe.
Ammon, Otto 1893a: Die natürliche Auslese beim Menschen: auf grund der Ergebnisse der anthropologischen Untersuchungen der Wehrpflichtigen in Baden und anderen Materialien, Jena.
Ammon, Otto 1895: Die Gesellschaftsordnung und ihre natürlichen Grundlagen: Entwurf und Sozialanthropologie zum Gebrauch für alle Gebildeten, die sich mit sozialen Fragen befassen, Jena.
Baier, Horst 1999: Gesundheit als organisiertes Staatsziel oder persönliches Lebenskonzept. Zur Sozialgeschichte und Soziologie des Wohlfahrtsstaates, in: Heinz Häfner ed.: Gesundheit – unser höchstes Gut? Berlin u.a., 31–56
Baumgarten, Marita 1997: Professoren und Universitäten im 19. Jahrhundert, Göttingen.
Breyer, Harald 1980: Max von Pettenkofer, Leipzig.
Dippe, Hugo 1895: Der Vertrauensarzt der Lebensversicherungs-Gesellschaften, in: Thiersch, Justus ed.: Der Kassenarzt. Eine Darstellung der Gesetze für Versicherung der Arbeiter und ihrer Bedeutung für den praktischen Arzt, Leipzig.
Engel, Ernst 1883: Der Werth des Menschen, I. Theil: Der Kostenwerth des Menschen, Berlin.
Faulstich, Heinz 1993: Von der Irrenfürsorge zur Euthanasie. Geschichte der badischen Psychiatrie bis 1945, Freiburg i. Br.
Faulstich, Heinz 1998: Hungersterben in der Psychiatrie 1914–1949. Mit einer Topographie der NS – Psychiatrie, Freiburg i.Br.
Fischer, Alfons 1909: Rekrutenstatistik und Volksgesundheit, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 93/III, Folge 38, 471–487.
Fuchs, W. 1922/23: Wirtschaftliche Neuorientierung in der Anstaltspsychiatrie, in: Psychiatrischneurologische Wochenschrift, 24, 2–8.
Fürth, Henriette 1902: Die Fabrikarbeit verheirateter Frauen, Frankfurt a.M.
Fürth, Henriette 1907: Mutterschutz durch Mutterschaftsversicherung, Mannheim.
Fürth, Henriette 1913: Der Rückgang der Geburten als soziales Problem, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 100/III. Folge, 45, 721–760.
Fürth, Henriette 1919: Gemeinwirtschaftliche Förderung der Haushaltung und der Lebenskraft, Jena.
Grober, J[ulius] 1907: Einführung in die Versicherungsmedizin. Vorlesungen für Studierende und Ärzte, Jena.
Hachtmann, Rüdiger 1993: Thesen zur „Modernisierung“ der Industriearbeit in Deutschland zwischen 1924 und 1945, in: Bajohr, Frank ed.: Norddeutschland im Nationalsozialismus, Hamburg, 414–451.
Halling, Thorsten; Schäfer, Julia und J. Vögele 2005: Volk, Volkskörper, Volkswirtschaft, in: Mackensen, Rainer ed.: Ursprünge, Arten und Folgen des ›Konstrukts Bevölkerung‹ vor, im und nach dem ›Dritten Reich‹, Wiesbaden, 388–428.
Herwig, Bernhard 1944: Psychologie der Arbeit, in: Ach, Narziss Kaspar ed.: Lehrbuch der Psychologie. 3. Bd. Praktische Psychologie. Bamberg, 122–170.
Hirt, Ludwig 1874, 1876: Die Krankheiten der Arbeiter. Beiträge zur Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege, Rezension in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 22, 32–36.
Labisch, Alfons 1992: Homo hygienicus. Gesundheit und Medizin in der Neuzeit, Frankfurt/M, New York.
Labisch, Alfons; Woelk, Wolfgang 2006: Geschichte der Gesundheitswissenschaften, in: Hurrelmann et al. ed.: Handbuch Gesundheitswissenschaften, Weinheim/München, 49–91.
Lee, Robert; Schneider, Michael C. 2005: Amtliche Statistik zwischen Staat und Wissenschaft, 1872–1939, in: Mackensen, Rainer ed.: Ursprünge, Arten und Folgen des Konstrukts ›Bevölkerung‹ vor, im und nach dem ›Dritten Reich‹, Wiesbaden, 50–91.
Ley, Astrid 2004: Zwangssterilisation und Ärzteschaft. Hintergründe und Ziele ärztlichen Handelns 1934–1945, Frankfurt a.M.
Lindenfeld, David F. 1997: The Practical Imagination. The German Science of State in the Nineteenth Century, Chicago.
Kaup, Ignaz 1913: „Was kosten die minderwertigen Elemente dem Staat und der Gesellschaft“, in: Archiv für Rassen und Gesellschaftsbiologie einschliesslich Rassen- und Gesellschaftshygiene, 10, 723–748.
Koch, Peter 1998: Geschichte der Versicherungswissenschaft in Deutschland, hg. vom Deutschen Verein für Versicherungswissenschaft e.V., Karlsruhe.
Manes, Alfred 1911: Lebensversicherung, in: Elster, Ludwig ed.: Wörterbuch der Volkswirtschaft, 2. Band, 3. Aufl., Jena, 393–398.
Marckmann, Georg 2006: Verteilungsgerechtigkeit in der Gesundheitsversorgung, in: Schulz, Stefan; Steigleder, Klaus; Fangerau, Heiner; Paul, Norbert eds.: Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin. Frankfurt a.M., 183–208.
Müller, Christian; Schmitz, Adelheid; Sierck, Udo eds. 2000: Schöne, heile Welt? Biomedizin und Normierung des Menschen, Hamburg.
Nauck, Bernhard 2007: Der individuelle und kollektive Nutzen von Kindern, in: Ehmer, Josef; Ferdinand, Ursula; Reulecke, Jürgen eds.: Herausforderung Bevölkerung. Zu Entwicklungen des modernen Denkens über die Bevölkerung vor, im und nach dem ›Ditten Reich‹, Wiesbaden, 321–331.
Nolen, W[illem] et al. 1925: Lebensversicherungsmedizin. Eine Anleitung für Ärzte und Studierende der Medizin, Berlin, 227–338.
Paletschek, Sylvia 2001: Die permanente Erfindung einer Tradition. Die Universität Tübingen im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, Stuttgart.
Pettenkofer, Max von 1876: Über den Werth von Gesundheit für eine Stadt, in: ders. eds.: Populäre Vorträge, Braunschweig, 3.
Pfeiffer, Ludwig 1882: Die proletarische und criminelle Säuglingssterblichkeit in ihrer Bedeutung für die wirtschaftlichen Zustände in Europa. Rezension über: Bier und Branntwein und ihre Bedeutung für die Volksgesundheit, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 38, 1–63.
Prinz, Michael; Zitelmann, Rainer eds. 1991: Nationalsozialismus und Modernisierung, Darmstadt.
Roth, Karl-Heinz 2002: Die Durchsetzung der modernen Arbeitsgesellschaft, in: Heide, Holger ed.: Massenphänomen Arbeitssucht. Historische Hintergründe und aktuelle Entwicklung einer neuen Volkskrankheit, Bremen, 55–72.
Roth, Karl-Heinz 1982: Pervitin und ›Leistungsgemeinschaft‹. Pharmakologische Versuche zur Stimulierung der Arbeitsleistung unter dem Nationalsozialismus (1938–1945), in: Protokolldienst 23/82, hg. v. Evangelische Akademie Bad Boll, 200–226.
Sachße, Christoph; Tennstedt, Florian 1988: Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland, Bd. 2: Fürsorge und Wohlfahrtspflege 1871–1929, Stuttgart.
Schäfer, Julia 2007: „Organisches Kapital“– Kolonialärzte in Afrika zwischen Labor und praktischer Bevölkerungspolitik, in: Overath, Petra; Krassnitzer, Patrick eds.: Bevölkerungswissenschaften – Popularisierungsdiskurse – Bevölkerungspolitiken. Deutschland und Frankreich bis 1939, Weimar, Köln, 233–252.
Schultz, Theodore W. 1986: In Menschen investieren. Die Ökonomik der Bevölkerungsqualität, Tübingen.
Siemen, Hans Ludwig 1987: Menschen blieben auf der Strecke… Psychiatrie zwischen Reform und Nationalsozialismus, Gütersloh.
Tennstedt, Florian 2004: Sozialwissenschaft – Sozialrecht – Sozialgeschichte. Kooperation und Konvergenz am Beispiel der Sozialpolitik, in: Schulz, Günther et al. eds.: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Arbeitsgebiete – Probleme – Perspektiven. 100 Jahre Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Stuttgart, 551–575.
Weisspfenning, Irmtrud 1984: Pettenkofers Gesundheitswirtschaftslehre. Ein Meilenstein in der Entwicklung des öffentlichen Gesundheitswesens, in: Sudhoffs Archiv, Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte, Beiheft 24, Stuttgart, 146–154.
Woelk, Wolfgang; Vögele, Jörg 2002: Der „Wert des Menschen“ in den Bevölkerungswissenschaften vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Ende der Weimarer Republik. Ein Werkstattbericht, in: Mackensen, Rainer ed.: Bevölkerungslehre und Bevölkerungspolitik vor 1933, Opladen, 121–133.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2009 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH
About this chapter
Cite this chapter
Halling, T., Schäfer, J., Vögele, J. (2009). Der Mensch als volkswirtschaftliches Kapital. Theorie und Praxis ökonomischer Be- und Entwertung von Bevölkerungsgruppen. In: Mackensen, R., Reulecke, J., Ehmer, J. (eds) Ursprünge, Arten und Folgen des Konstrukts „Bevölkerung“ vor, im und nach dem „Dritten Reich“. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91514-2_11
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91514-2_11
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-16152-5
Online ISBN: 978-3-531-91514-2
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)