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Adoleszenz zwischen sozialem Aufstieg und sozialem Ausschluss

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Adoleszenz — Migration — Bildung

Auszug

Wie eine neue Schweizer Studie (Mey/Rorato/Voll 2005)1 zur sozialen Stellung der so genannten zweiten Generation zeigt, sind Kinder aus eingewanderten Familien in Bezug auf ihre schulische und berufliche Positionierung insgesamt gesehen erfolgreich: Den Jugendlichen ausländischer Herkunft gelingt es im Schnitt häufiger als einheimischen Gleichaltrigen, einen sozialen Aufstieg zu vollziehen und damit höhere soziale Positionen zu erreichen, als ihre Eltern sie innehaben. Allerdings gilt es, die beobachtete kollektive Aufwärtsbewegung der Söhne und Töchter von Migrantinnen und Migranten differenziert zu untersuchen: So zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass sich die insgesamt hohen sozialen Mobilitätswerte der Jugendlichen ausländischer Herkunft aus zwei einander gegenläufigen Tendenzen zusammensetzen: Einerseits absolvieren Jugendliche aus eingewanderten Familien bei gleich bleibenden Ausgangsbedingungen häufiger eine Ausbildung auf der Tertiärstufe als gleichaltrige Schweizerinnen und Schweizer. Andererseits ist bei ihnen aber auch der Anteil derjenigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen höher als bei der Schweizer Vergleichsgruppe, die nach der obligatorischen Schulbildung keine weiteren Ausbildungen absolvieren und damit auf einer minimalen Ausbildungsstufe verbleiben — und dies unabhängig davon, welche Ausbildung die Eltern absolviert haben. Mit anderen Worten zeichnen sich Angehörige der so-genannten zweiten Generation nicht nur durch höhere Aufstiegschancen, sondern auch durch ein erhöhtes Abstiegsrisiko aus.

Die Studie basiert auf den Daten aus der eidgenössischen Volkszählung 2000, so dass weitgehend alle in der Schweiz lebenden Söhne und Töchter von Migrantinnen und Migranten in die Analysen mit einbezogen werden konnten. Zur zweiten Generation wurden dabei jene Personen gezählt, die als Kinder von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz geboren wurden, und zwar unabhängig davon, ob sie selber in der Zwischenzeit das Schweizer Staatsbürgerrecht erworben haben oder nicht; es wurden also sowohl eingebürgerte als auch nicht eingebürgerte Personen in den Analysen berücksichtigt.

Verfügen die Eltern zum Beispiel über einen einfachen Berufsabschluss, so absolvieren unter den Zweitgenerations-Angehörigen rund 15% eine Ausbildung auf Tertiärstufe, während der entsprechende Prozentsatz bei den gebürtigen Schweizerinnen und Schweizern mit rund 10% um einen Drittel tiefer liegt. Die zweite Generation ist aber auch am anderen Ende der Bildungshierarchie übervertreten: Während es bei den Schweizer Kindern von Eltern mit Berufsbildung rund 5% sind, die im Alter von 20 Jahren nur über eine minimale Ausbildung verfügen, ist dieser Wert bei den Jugendlichen mit Migrationshintergrund mit 10% doppelt so hoch. Verfügen die Eltern über eine höhere Fachausbildung, sind es bei der zweiten Generation über 30%, die eine Tertiärausbildung absolvieren, gegenüber knapp 20% bei den Schweizerinnen und Schweizern — umgekehrt haben bei gleicher Qualifikation der Eltern 9% der Jugendlichen ausländischer Herkunft einen minimalen oder gar keinen Abschluss vorzuweisen, bei den Schweizerinnen und Schweizern liegt dieser Prozentsatz mit 3,5% deutlich tiefer. Dieses Bild einer übervertretung der zweiten Generation am oberen sowie am unteren Ende der Bildungshierarchie bleibt auch dann erhalten, wenn im Rahmen von multivariaten Analysen andere Einflussfaktoren (Geschlecht, Region etc.) kontrolliert werden. Außerdem zeigt sich, dass die Tendenzen zur Polarisierung innerhalb der zweiten Generation nicht einfach auf die unterschiedlichen Qualifikationsniveaus von verschiedenen (nationalen) Herkunftsgruppen zurückgeführt werden können: Denn in nahezu allen untersuchten Herkunftsgruppen lässt sich, wenn auch in unterschiedlich starkem Ausmaß, eine Übervertretung sowohl bei den Best- als auch bei den Schlechtestqualifizierten beobachten. Eine Ausnahme bildet die Gruppe der deutschen zweiten Generation, die nur über erhöhte Abstiegsrisiken, nicht aber über erhöhte Aufstiegschancen verfügt, was auf das vergleichsweise hohe Bildungsniveau der deutschen ersten Generation zurückzuführen sein dürfte.

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© 2009 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

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Juhasz, A., Mey, E. (2009). Adoleszenz zwischen sozialem Aufstieg und sozialem Ausschluss. In: King, V., Koller, HC. (eds) Adoleszenz — Migration — Bildung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91459-6_5

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91459-6_5

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-16471-7

  • Online ISBN: 978-3-531-91459-6

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