Auszug
Es dürfte kaum eine vergleichbare Situation in der jüngeren Geschichte gegeben haben, in der Statistik zum Auslöser solch heftiger politischer Debatten wurde wie in den letzten Jahren. Der demografische Wandel hat wahrscheinlich nicht nur jedes publizistische Medium, sondern inzwischen auch jedes politische Gremium beschäftigt, und es überbieten sich Wissenschaftler und Journalisten darin, die von den Statistischen Ämtern prognostizierten Bevölkerungsveränderungen als Wandel unserer Gesellschaft auszumalen. Dabei variieren sowohl die Definitionen wie auch die Prognosen und Strategien. Je nachdem, ob in Ostoder in Westdeutschland, ob in Metropolen oder ländlichen Regionen, ob in so genannten Verlierer- oder Gewinnerregionen diskutiert und Rat gehalten wird, spitzt sich der relativ wertneutrale Ausgangsbegriff unter Umständen dramatisch zu: Aus der Ausgangsannahme des Bevölkerungsverlustes durch Geburtenrückgang bzw. anhaltend geringe Geburtenrate bei steigender Lebenserwartung (Grünbuch 2005) wird im Handumdrehen ein handfestes Negativszenario, das eigene Dynamiken einer andauernden Abwärtsschleife entwickelt. Längst ist dabei klar, dass das, was anfänglich als Aussicht auf die nächsten dreißig Jahre galt, in den meisten Städten und Regionen Ostdeutschlands längst Realität und damit eine Vorausschau auf die Zukunft Gesamtdeutschlands ist. Das dort zu beobachtende Szenario speist sich allerdings nicht nur aus der Verwirklichung der genannten Rahmenbedingungen, sondern aus ihrer Kombination mit zwei sozialpolitischen Trends, in deren Folge sich die Regionen in einem starken hierarchischen Gefälle massiv voneinander unterscheiden. Sie heißen anhaltende Massenarbeitslosigkeit und massive Ausbildungsdefizite durch das Fehlen von privatwirtschaftlichen Unternehmen und öffentlichen Trägern — was in immer mehr Regionen Ostdeutschlands zur Abwanderung von jungen und mittleren Generationen führt.
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Quellenverzeichnis
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Volke, K. (2009). Wenn Statistik droht, Politik zu machen — der demografische Wandel und seine Herausforderungen für die Kulturpolitik. In: Körner, J. (eds) Demografischer Wandel und Kultur. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91445-9_5
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