Zusammenfassung
Die Globalisierung wird heute als größte Herausforderung der Hochschulen aufgefasst. Sie stellt in der Geschichte der Hochschule einen derart fundamentalen Wandel dar (Scott 1999), dass die Hochschule ihr Selbstverständnis bzw. ihre Rolle in einer globalisierten Gesellschaft neu überdenken und ihre Organisationsstrategien1 neu ausrichten muss, um dauerhaft zu überleben. Die Globalisierungsanstrengungen der Hochschulen sind dabei als enorm zu bezeichnen. (2006: 4ff) schätzt, dass mehr als zwei Millionen Studierende mobil sind, es wird prognostiziert, dass diese Tendenz zukünftig noch enorm an Potential gewinnt. Die gestiegene Nachfrage nach transnationaler Hochschulbildung hat zu einem ansteigenden Wettbewerb der Bildungsanbieter in den Industrieländern geführt. Erwartet wird die Entstehung eines globalen Bildungsmarktes, innerhalb dessen der Kommerzialisierung von Hochschulbildung eine bedeutende Rolle zukommt. Hiermit ist der Wettbewerb um ausländische Studierende ebenso gemeint wie Hochschulbildung in Form eines Dienstleistungsexports2 (Hahn 2004: 30). Als global wird zudem die akademische Migration bezeichnet, hierbei handelt es sich im Speziellen um Doktoranden und Post-Docs, die einer langen europäischen Tradition folgend vor allem in die USA auswandern. Der Wettbewerb um Nachwuchswissen-schaftler bzw. Hochschuldozenten hat sich mit der Zunahme an „potentiellen Importeuren“ sogar noch verschärft. Neben den USA und Europa werben auch Südostasien und China um junge Wissenschaftler. Eine weitere Dimension der Globalisierung wird in internationalen Netzwerken, Allianzen und Partnerschaften gesehen. Diese beinhalten neue Formen der Lehre, die als Tendenz zur Deinstitutionalisierung (fluide, kontingente Netzwerke) und als virtuelle Kommunikation (transnationale netzbasierte Lehre) beschrieben werden (Scott 2006). Evidenzen für die stärkere globale Verankerung der Hochschule gibt es zudem beim Trend in Richtung auf globale Curricula, globale Prüfungspraktiken (Credit Point Systeme), globale Grade (MBA) und hinsichtlich der Diversifikation der Forschungsfinanzierung, die die Abhängigkeit der Hochschulen von der nationalen Steuerungsebene mindern (Stichweh 2001). Wurden internationale Kooperationen bislang von einzelnen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen verfolgt und studentische Mobilitäten individuell organisiert, haben sich systematisch implementierte internationale Bildungsprogramme, regelmäßige internationale Aktivitäten und Kooperationen sowie ein internationaler Austausch von Wissenschaftlern zu einem „Massenphänomen“ (Hahn 2004) entwickelt.
Hochschulen werden hier als Organisationen, d.h. als Sozialsysteme behandelt, welche die Funktionssysteme eigendynamisch durchsetzen. Ihre Evolution folgt eigenen Modi der kommunikativen Schließung und Reproduktion über Entscheidungen. Organisationen zeichnen sich durch eine formalisierte Erwartungsstruktur und eine besondere Programmierung ihres Entscheidungshandelns aus (Luhmann 1997: 826ff). Musselin (2007) fasst zusammen, dass sich hochschulische Strukturen und Prozesse allerdings historisch von anderen Organisationstypen in ihren „loosely coupled systems“ unterscheiden. Deshalb sei es schwierig, wirtschaftliche Modelle wie das New Public Management auf Hochschulen zu übertragen.
Das weltweite Marktvolumen für Bildungsprodukte wird auf ca. drei Trillionen US $ geschätzt, wobei neben den USA und Großbritannien als neue global player vor allem Australien, aber auch Kanada und Neuseeland aufstrebend sind (Hahn 2004: 28f).
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Suchanek, J. (2009). Die Selbstbeschreibung von Hochschulen. In: Willems, H. (eds) Theatralisierung der Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91442-8_21
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