Auszug
Manche Grundbegriffe der Sozialwissenschaften haben es nicht nur in sich, sondern nahezu alles in sich. Sie werden so allgemein gehalten und so allumfassend verwendet, dass sich darin nicht nur ganz verschiedenartige, sondern an sich auch völlig gegensätzliche Informationen und Annahmen verlaufen. Bei ihrem Gebrauch kann man also nie so ganz falsch liegen. Der Verzicht auf Präzision stiftet aus diesem Grunde kaum den Verdacht, man gebe etwas Leichtgewichtiges von sich. Die Anderen, welche solche dehnungsfähigen Begriffe hören oder etwas darüber lesen, können sich ja ihrerseits alles Mögliche, vor allem das dabei denken, was sie selbst für den „eigentlichen“ Gehalt solcher Auskunftsmittel halten. „Die Moderne“ wird man in das Sortiment von Kategorien dieses Kalibers einreihen dürfen. Obendrein ist dieser Begriff politisch völlig unverdächtig. Er kann keinen Vorbehalten ausgesetzt werden, unter denen vor allem der Typenbegriff „Kapitalismus“ steht. D.h.: Wer „Moderne“ sagt, braucht nicht kritisch vom „Kapitalismus“ zu reden und erspart sich damit den stumpfsinnigen, aber einschlägigen Verdacht, er hätte noch irgendetwas für den abgestorbenen Kasernenkommunismus oder gar für den Massenmörder Stalin übrig. Es versteht sich daher von selbst, dass der Ausdruck „modern“ weiterhin modern, will sagen: zeitgemäß und wohlgefällig klingt. Peter Wehling zählt zu denjenigen, welche den Begriff der Moderne und Theorien über Modernisierungsprozesse nicht nur wegen ihrer Unbestimmtheit, sondern darüber hinaus wegen ihrer Funktion als „Sozialmythos“ kritisiert haben. Den Begriff des „Sozialmythos“ hat er von Herbert Schnädelbach übernommen.
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Wichtige Bezugstexte
Peter Wehling: Die Moderne als Sozialmythos. Zur Kritik sozialwissenschaftlicher Modernisierungstheorien, Frankfurt/M 1992, 1. Kapitel. (MS).
Max Weber: Wissenschaft als Beruf, in ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1922, S. 582 ff. (WaB).
Webers Hauptwerk: „Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie“, 2 Halbbände (hrsg. v. J. Winckelmann), Köln/Berlin 1956 wird als WuG zitiert.
U. Beck: Die Erfindung des Politischen. Zu einer Theorie der reflexiven Modernisierung, Frankfurt/M 1993, S. 57–69 und S. 96–98. (EP).
Kommentar
J. Ritsert: Gesellschaft. Ein unergründlicher Grundbegriff der Soziologie, Frankfurt/New York, S. 141 ff.
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© 2009 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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(2009). Das Werden der Moderne.. In: Schlüsselprobleme der Gesellschaftstheorie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91436-7_14
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