Auszug
Die Euphorie, von der die Idee der humanitären militärischen Intervention nach dem Ende des Ost-West-Konflikts getragen wurde, ist inzwischen verflogen. Geblieben sind eine Reihe von Auslandseinsätzen militärischer und humanitärer Art, bei denen völlig unklar ist, wie lange sie dauern werden und was die Maßstäbe sind, nach denen sie als erfolgreich oder gescheitert zu begreifen sind. Einmal mehr hat sich die politische Realität den hochfliegenden Idealen gegenüber als überaus zählebig erwiesen. So kommt es nicht von ungefähr, dass wir auf humanitäre Katastrophen im Gefolge von Kriegen und Bürgerkriegen inzwischen wieder eher mit resigniertem Achselzucken reagieren als mit der engagierten Bereitschaft, auf der Stelle etwas dagegen zu unternehmen. Das von (1984) beobachtete zyklische Schwanken der Menschen zwischen Engagement und Enttäuschung zeigt sich auch an dem Projekt eines bei schweren Menschenrechtsverletzungen umgehend erfolgenden Intervenierens der Weltgemeinschaft — oder doch zumindest der interventionsfähigen Staaten: Hatte Ulrich Beck Ende der 1990er Jahre noch in expliziter Absetzung gegen die Clausewitzsche Kriegsdefinition erklärt, der Krieg sei zu einer „Fortsetzung der Moral mit anderen Mitteln“ geworden, worunter er „eine neue postnationale Politik des militärischen Humanismus“ verstand, „des Einsatzes transnationaler Militärmacht mit dem Ziel, der Beachtung der Menschenrechte über nationale Grenzen hinweg Geltung zu verschaffen“ (U. Beck 1999: 987), so besteht das Problem des UN-Generalsekretärs inzwischen darin, dass er selbst in Fällen allseits unstrittiger schwerer Menschenrechtsverletzungen bei den interventionsfähigen Staaten vergeblich um die Bereitstellung von Truppen bittet und die Zusagen, die er schließlich doch noch bekommt, allenfalls für symbolische Präsenz, aber nicht für effektive humanitäre militärische Interventionen hinreichen.
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Münkler, H. (2008). Humanitäre militärische Interventionen. Eine politikwissenschaftliche Evaluation. In: Münkler, H., Malowitz, K. (eds) Humanitäre Intervention. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91427-5_4
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