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Diskurstheoretische Überlegungen

  • Chapter
Das Wissen der Leute
  • 1867 Accesses

Auszug

Ziel dieses Kapitels ist es, eine theoretische Verortung des eigenen Gegenstands vorzunehmen. Zunächst sollen die Ansätze von Jürgen Habermas und Michel Foucault auf Stellenwert und Brauchbarkeit für die Untersuchung überprüft werden. Dabei geht es vor allem darum, den zu Grunde liegenden Diskursbegriff trennscharf zu definieren sowie ein kohärentes Begriffsinstrumentarium zu entwickeln. Wie bereits erwähnt, war mit „1000fragen.de“ eine neue Form des öffentlichen Austauschs und der Verständigung über das weitgehend von Experten dominierte Thema Bioethik intendiert. Im ersten Schritt (3.1) wird daher überprüft, ob die von Habermas eingeführten diskursethischen Kriterien in Anlage und Nutzung des Forums zum Tragen kommen. Anschließend wird ein an Foucault orientierter Diskursbegriff vorgestellt (3.2). In diesem Zusammenhang erfolgt eine Betrachtung der Sprechakte ‚Frage‘ und ‚Kommentar‘ (3.3) sowie die Differenzierung zwischen ‚Äußerung‘ und ‚Aussage‘ (3.4). Der anschließende Entwurf einer Typologie des Diskursiven (3.5) lässt sich von diesen Fragen leiten: Wo befindet sich das Internetforum im diskursiven Feld? Welchem Diskurstypus ist es zuzuordnen? Zum Schluss wird „1000 Fragen zur Bioethik“ als ‚diskursives Ereignis‘ charakterisiert und die Erträge der theoretischen Überlegungen werden im Hinblick auf die nachfolgenden empirischen Arbeitsschritte noch einmal zusammengefasst (3.6).58

Der hier vorgestellte diskurstheoretische Bezugsrahmen wird in Verbindung mit den nachfolgenden empirischen Untersuchungsschritten (vgl. Kap. 6, 7, 9 und 10) erweitert und spezifiziert werden.

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Literatur

  1. Das für unseren Untersuchungsgegenstand zentrale Thema „Bioethik“ lässt sich darüber hinaus einen inhaltlichen Bezug auf Foucaults Arbeiten über die „Menschenwissenschaften“ bzw. die „Bio-Macht“ zu (vgl. Dreyfus/ Rabinow 1994b, 41ff., 156ff), eine Möglichkeit, die allerdings im Rahmen dieser Studie nur eine periphere Rolle spielt.

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  2. Hannelore Bublitz (2003, 9) betont in Anlehnung an Foucault, dass Diskurse als „in sich heterogene Produktions-und Konstitutionsbedingungen einer gesellschaftlichen Wirklichkeit gelten, von der angenommen wird, dass sie auf der Verselbständigung konstruktiver Prozesse und subjektloser Operationen sowie ihrer Performanz beruht und dass sie sich in materiellen Anordnungen, Technologien und Praktiken manifestiert.“

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  3. Bublitz (2003, 16) beschreibt, unter Berufung auf Judith Butler, die veränderungswirksamen Effekte von Diskursen als Prinzip der „Stillen Post“. Demnach bringen ritualisierte Wiederholungen automatisch ‚Verfehlungen ‘hervor; es kommt somit zwangsläufig zu diskursiven Veränderungen, die in diesem Konzept nicht mehr als utopischer Gegenentwurf, sondern als „ununterbrochene Alternierung“ (Mersch 1999, 162) gedacht werden.

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  4. Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt Wittgenstein bei seiner Reflexion über Sinn und Bedeutung bzw. über den „Unsinn“ (vgl. Glock 2004; Moyal-Sharrock 2004). Dieser Bereich des Sprechens kann auch mit den rationalen Regeln des Sprechaktes und den diskursanalytischen Formationsregeln nicht erfasst werden.

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  5. Das sokratische Gespräch beruht nur im Idealfall auf Gegenseitigkeit mit dem Ziel der gemeinsamen Wahrheitssuche. In der autoritär-pädagogisierten Form, wie Sokrates es durchführte, war es sehr hierarchisch strukturiert (Platon 2000, 8f.). Diese Negativfolie des aufklärerischen Anliegens unterstreicht auch Gottfried Boehm (1999, 239): Demnach hat die streng dialektische Methode des sokratischen Gesprächs mit ihrer auf Logik, Rationalität und Eindeutigkeit beruhenden Denkform die fragile Singularität, die sinnliche Rhetorik und Suggestionskraft der antiken Kunst an den Rand der Wahrnehmung gedrängt.

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  6. Beispiele für den strategischen Einsatz von Fragen — gerade auch im bioethischen Diskurs — gibt es genug, so z.B. die Frage des Buches „Should the Baby Live?“ (vgl. Kuhse/ Singer 1987). Mit seiner Rezeption in Deutschland startete die so genannte ‚Singer-Debatte‘, eine heftige Auseinandersetzung um den Bioethiker Peter Singer, der die Tötung schwerkranker Neugeborener aus utilitaristischen Erwägungen befürwortet.

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  7. Diaz-Bone (2002a, 178; 2002b) hat mit den Begriffen „kulturhegemonialer Interdiskurs“ und „distinktiver Diskurs“ Vorschläge zur genaueren Erfassung des Interdiskurses unterbreitet.

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  8. Vgl. den Titel der französischen Originalausgabe „Let mots et les choses. Une archéologie des sciences humaines“ (Foucault 1966).

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  9. Wie in der „Archäologie des Wissens“ (Foucault 1990a, 273) formuliert, ist eine episteme „keine Form von Erkenntnis und kein Typ von Rationalität, die, indem sie die verschiedensten Wissenschaften durchdringt, die souveräne Einheit eines Subjekts, eines Geistes oder eines Zeitalters manifestiert; es ist die Gesamtheit der Beziehungen, die man in einer gegebenen Zeit innerhalb der Wissenschaften entdecken kann, wenn man sie auf der Ebene der diskursiven Regelmäßigkeiten analysiert.“

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  10. In der neueren Forschung zur Wissenschaftsgeschichte wird betont, dass insbesondere Experiment und Labor als Praxis den Wissenschaftlichen Erkenntnisstil prägen (vgl. Rheinberger 1999; Rheinberger/Hagner 1993).

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  11. Von Pêcheuxs Bemühungen um eine Interdiskursanalyse ist vor allem seine „Analyse automatique du discours“ (Pêcheux 1969) bekannt, die auf die Systematisierung des alltäglichen Sprechens zielt. Die durchdeklinierte semantische Analysemethode zielt darauf ab, gegen allzu kontingente Vorstellungen die Widersprüchlichkeiten von Wissens-und Machteffekten aufzudecken; sie ist jedoch auf Grund praktisch-empirischer Probleme nicht in gleicher Weise entwickelt wie die Theoriebildung (vgl. Link 2006b).

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  12. Vertreter/innen der Interdiskursschule lenken ihren Blick auf die „Normalisierungseffekte“ dieser Diskursform (Gerhard u.a. 2001; Link 1999).

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  13. Die Nutzung der Begriffe „Bedeutsamkeit“, „Bedeutung“ kann irreführend sein, denn nach Foucault müssen bei einer Untersuchung von Spezialdiskur sen Ansprüche auf „Wahrheit“ und „Bedeutung“ ausgeklammert werden (vgl. Dreyfus/ Rabinow 1994b, 73), gerade weil Spezialdiskur se in sich schon als „mächtig“ und „bedeutungsvoll“ wahrgenommen werden.

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(2009). Diskurstheoretische Überlegungen. In: Das Wissen der Leute. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91361-2_3

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91361-2_3

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

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