Zusammenfassung
Ein Kind sitzt unter meinem Tisch — es könnte jedes der Kinder, die Sie auf den Bildern sehen, sein; tatsächlich ist es keines davon. Aus einem Meer von Schweigen und Rückzug wogen Wellen der Ablehnung und Provokation, des Misstrauens hervor. Einfach miteinander reden erscheint nicht nur vollkomen sinnlos, es funktioniert schlicht auch nicht. Äußerungen von mir prallen ab, die Äußerungen des Kindes führen in eine Sphäre, die sich verrückt und schwierig anfühlt. Die Frage nach dem langen Weg, auf dem dieses Kind in mein Zimmer und unter meinen Tisch geraten ist, tritt zunächst in den Hintergrund aufgrund der sofort sich einstellenden Dichte und Intensität in Raum. Es ist eindeutig etwas im Gange zwischen uns, obwohl ich das Kind gerade erst kennen lerne. Ich merke, dass dieses Kind die Situation gestaltet und nicht ich. Ich lehne mich zurück. Ich spüre, jetzt gilt es erst einmal auszuhalten, was gerade passiert. Aber was passiert denn? Was bekomme ich hier angeboten? Wenn ich überhaupt direkt adressiert werde, lautet der Inhalt „Lass mich in Rube“ oder „Ich mach nicht, was Du willst.“ Wie komme ich da überhaupt auf die Idee, dass das Kind ein Angebot macht? Da funkelt sie auch schon aus den Augen, die Einladung, die die Frage enthält „Na was machst Du jetzt?“, die mich auffordert hinzusehen. Die Blicke, sie checken ab, wie ich reagiere. Ich bekomme ein Beziehungsangebot, paradox, mir wird angeboten, mich abzuwenden, eine Grenze zu zeihen zwischen uns. Mir wird angeboten, den Grenzbereich schleunigst zu verlassen in Richtung sicheres Gebiet. Ich müsste nur sagen „So geht das nicht. Jetzt komm hier mal raus unter meinem Tisch.“ Äußerst unwahrscheinlich, dass das tatsächlich so passieren würde, aber meine Ansage wäre wenigstens klar. Ich lasse es und lasse das Angebot noch einmal auf mich wirken. Bin ich zu einer Prüfung eingeladen.
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© 2009 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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(2009). Es sitzt ein Kind unter meinem Tisch. In: Unannehmbar-Sein. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91224-0_2
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