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Der Start der individualistischen Phase: Dominanz „normalpolitischer“ Eigeninteressen und Änderungsminimalismus in komplexen Strukturen

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Book cover Verfassungsänderungen in etablierten Demokratien
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Auszug

Dieses Kapitel erläutert, wie es in den vier Untersuchungsfällen zur Verdichtung von Aktivitäten kam, die später in Verfassungsänderungen mündeten. Es verknüpft diese Darstellung gezielt mit einer Skizze der Problemhorizonte dieser Politik und der in Aussicht stehenden Wege zur Verfassungsänderung, denn beide bilden wichtige Parameter einer rationalen Entscheidungsfindung. Vermittelt wird so ein Eindruck von der ursprünglichen Handlungssituation der initiierenden und der später hinzutretenden Akteure, die in zwei von vier Fällen deutlich vor der formalen Initiierung des Verfassungsänderungsverfahrens lag.

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Literatur

  1. Sie war gegründet worden, um das Bewusstsein für Inuit-Rechte in der kanadischen Gesellschaft zu fördern, die Inuit über ihre eigene Situation, Regierungspläne, Ureinwohnerrechte und rechtliche Angelegenheiten allgemein zu informieren, die Inuit-Kultur und —sprache zu bewahren, den Stolz auf das Inuit-Erbe zu fördern, die Inuit in ihrem Recht auf volle Beteiligung an der kanadischen Gesellschaft zu unterstützen, so dass sie über jene sozialen, ökonomischen, Bildungs-und politischen Sachverhalte entscheiden könnten, die sie und zukünftige Generationen betreffen, sowie um alle Inuit der Nordwestterritorien, des arktischen Quebec, Labradors und Manitobas zu vereinen und mit ihnen gemeinsam öffentlich zu agieren (Leslie 2004: 3).

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  2. Public government meint „government with authority over and involvement by all residents”, die in der kanadischen Verfassungsdebatte faktisch nur im Hinblick auf die Ureinwohner diskutierte Selbstregierung „government which applies only to and includes only Aboriginal people” (Cameron/ White 1995: 42). Solange die Bundesregierung noch keine Zuständigkeiten an die Territorien und Kommunen abgegeben hatte, war self-government für die Ureinwohner ein Synonym für kommunale oder Bereichsregierung, implizierte aber oft auch die Stärkung der lokalen Entscheidungs-und Kontrollrechte (Dickerson 1992: 168, 171).

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  3. Die ITC kommunizierte mit den Vertretern der Bundes-und der Territorialregierung in einer Fremdsprache, musste sich mit Begriffen und Konzepten auseinandersetzen und diese ihrer Basis erklären, die es in der Inuit-Sprache gar nicht gab. Auch die ersten Inuit, die seit 1975 im Territorialparlament saßen, beherrschten nur Inuktitut. Der politisch-administrative Erfahrungshorizont der ITC-Führung beschränkte sich vornehmlich auf die Lokalverwaltung (HoC 1993: 20360; Laing 1982).

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  4. Das „allgemeine Gefühl“ unter den Inuit, die Berater aus dem Süden besäßen zuviel Einfluss, hatte beispielsweise zur Uneinigkeit über den ersten Nunavut-Forderungsentwurf beigetragen (LAC 1999).

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  5. Formal handelte es sich um britische Gesetze. Mit dem Verfassungsgesetz von 1982 erfolgte die Umbenennung in Verfassungsgesetz von 1867 fortfolgend (Forsey 2005: 8, 12).

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  6. Aufgrund der ethnischen Eigenständigkeit der Inuit gehörte die ITC ihrerseits weder dem Nationalen Indianerrat der nicht anerkannten noch der Nationalen Indianerbruderschaft der anerkannten Ureinwohnergruppen an (ITK/ ITC 1999: 10; HoC 1998c: 1815).

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  7. Zunehmend bezeichneten sich kanadische Ureinwohnergruppen als Völker oder Nationen und verwiesen auf deren Selbstbestimmungsrecht als zwingendes (also durch Verträge oder Gewohnheitsrecht nicht löschbares) Völkerrecht. Ein Aspekt dieses Rechts sei das Recht auf Selbstregierung (Wherett 1999). Das Selbstbestimmungsrecht hatte in der rechtlichen Argumentation der Entkolonialisierungsbewegungen eine wichtige Rolle gespielt. Viele Nicht-Ureinwohner konnotierten Selbstregierung daher mit Souveränitätsbestrebungen außerhalb des politischen Systems Kanadas (Dickerson 1992: 168).

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  8. Gesichert werden sollten mit ihm erstens verantwortliche Regierung, also die Abhängigkeit der Regierung vom Vertrauen des Parlamentes, zweitens die Repräsentation auf Bundesebene nach Bevölkerung, also Sitze gemäß dem Anteil der Bevölkerung einer Provinz im Verhältnis zu der Quebecs (eine später in der Praxis durch Kompromisse veränderte Formel), sowie drittens der Schutz der Frankophonen (Vauteck 2005: 57f.)

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  9. Dieser Wandel äußerte sich in einem erheblichen Bevölkerungswachstum aufgrund abnehmender Kindersterblichkeit und höherer Lebenserwartung, in sozialer Differenzierung, einem Wandel des Selbstverständnisses, gravierenden Wertekonflikten zwischen den Generationen, Konkurrenz zwischen überliefertem indigenem und kanadischem Recht, Sprachtransformation, Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Alkoholismus (vgl. Irwin 1989; Hicks/White 2000: 21–28; Mitchell 1996).

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  10. Der 1966 vorgelegte Bericht einer Beraterkommission zur politisch-administrativen Entwicklung in den NWT betonte, eine Teilung der NWT würde zur Isolation der Inuit führen. In den 1960er Jahren versuchten — durch die Bundesregierung ernannte — Mitglieder des Territorialrates der NWT ihrerseits, sich des rückständigen Ostteils durch dessen Abtrennung von den NWT zu entledigen, um die eigene politische und wirtschaftliche Entwicklung schneller vorantreiben zu können. Der entsprechende Gesetzentwurf der Bundesregierung scheiterte aber im kanadischen Unterhaus, weil er als egoistisch und nicht repräsentativ für die Wünsche des ostarktischen Teils betrachtet wurde (Cameron/ White 1995: 92).

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  11. Aufgrund der Verfahrensvorgaben wurde im 1996 und 2000 gewänlten Parlament die Verfassungsänderung jeweils formal neu initiiert (Venizelos 2002: 37). Im Gegensatz zu 1995 waren dies aber keine qualitativ neuen politischen Entscheidungen.

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  12. Auch Kostas Simitis, Papandreous innerparteilicher Gegner und Jurist mit Professur an der Pantheion-Universität Athen, der für PASOK seit den 1980er Jahren verschiedene Ministerposten innehatte, stellte daher die im engeren Sinne verfassungsrechtliche Motivation Papandreous infrage (Alivizatos 2001b: 155f.)

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  13. So strebte der Vizepremier Kanellopoulos mit langjähriger Regierungserfahrung in vielen Ministerposten eine Reform weg von der premierorientierten Staatsform und allgemein die Modernisierung von Verfassungsklauseln „auf Basis der gesammelten Erfahrung“ an, während Justizministerin Psarouda-Benaki erklärte, hauptsächlich sollten die Wahl und die Kompetenzen des Präsidenten der Republik, die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze und die Auswahl der Richter diskutiert werden (Sotirelis 2001b: 14 ff.).

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  14. Aufgrund des Art. 19 des Staatsbürgerschaftsgesetzes konnte seit 1955 etwa 60.000 nicht-ethnischen (zumeist türkischen) Griechen die Staatsbürgerschaft entzogen werden, wenn sie (auch vorübergehend) im Ausland wohnten. Viele wurden staatenlos. Ein Gesetz von 1990 wies dem Staat zudem das alleinige Recht zu, die Muftis zu ernennen (Greek Helsinki Monitor 1998; IHFHR 1999).

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  15. Auch für die Umsetzung internationaler Vereinbarungen zur Abschaffung der Todesstrafe und zum Internationalen Strafgerichtshof 2001 hatte der Generalstaatsanwalt formale Verfassungsänderungen empfohlen; bei anderen Verfassungsreferenden, so zur Vertraulichkeit von Kabinettssitzungen, zum Schutz ungeborenen Lebens oder zur Ratifizierung der Einheitlichen Europäischen Akte waren Urteile des Obersten Gerichtshofs inhaltlich maßgeblich gewesen (vgl. Gallagher 1999: 84 ff.).

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  16. Dass die Regierungsparteien lediglich an einer routinemäßigen Ratifizierung des Nizza-Vertrags interessiert waren, verdeutlichte neben dem angestrebten Wortlaut die Zusammenlegung des ersten Nizza-Referendums mit anderen Volksabstimmungen, während das ebenfalls geplante Referendum zur Abtreibungssproblematik wegen des „sensiblen Themas“ (Ahern) separat stattfinden sollte (O’Connor 2001a).

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  17. Im beigefügten Memorandum wurde erläutert, die zweite Einfügung sei notwendig, um dem Staat ausreichend Macht zu übertragen, damit er die konkret benannten, im Vertrag von Nizza vorgesehenen Optionen und Rechte ausüben könne, sollte er sich dazu entschließen (Twenty-Fourth Amendment 2001: 6). Die Ergänzung zusätzlich zur einfachen Ratifizierungserlaubnis hatte der Generalstaatsanwalt erstmals beim Vertrag von Amsterdam der Regierung empfohlen. Er begründete ihre Notwendigkeit damit, dass ansonsten eine intolerable Unsicherheit hinsichtlich der Fähigkeit des Staates entstehen könnte, die Flexibilitätsregelungen des Vertrags zu implementieren und die in den Verhandlungen gesicherten Öffnungsklauseln zu nutzen (HoO 1998).

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  18. Premier Ahern unterschied zwischen dem theoretischen Konstrukt von Souveränität und der „echten Souveränität“ des irischen Volkes, die berücksichtigen müsse, wie man die grundlegenden nationalen Interessen und das soziale und wirtschaftliche Wohlergehen des Volkes am besten sichere und fördere. Er sei davon überzeugt, dass Irland durch seine „konsequente nationale Politik gegenüber der EU in den letzten dreißig Jahren“ seine „echte Souveränität viel besser gefördert“ habe, „als es durch Abseitsstehen möglich gewesen wäre“ (Ahern 2001a).

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  19. Einen guten Kurzüberblick über Verhandlungen, wichtigste Streitpunkte und Ergebnisse gibt Giering 2004.

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  20. Aufgrund der Befürchtungen setzte sich die damalige Fianna-Fáil-/PD-Minderheitsregierung erfolgreich für eine Klausel im 17. Zusatzprotokoll zum Maastricht-Vertrag ein, dass die europäischen Verträge nicht die Anwendung der irischen Verfassungsvorschriften zum Schutz ungeborenen Lebens berühren. Gleichzeitig erklärten die EU-Vertragsparteien aber zur Rechtsauslegung, dass durch dieses Protokoll nicht die Freiheit eingeschränkt werden solle, zwischen den Mitgliedstaaten zu reisen oder unter Bedingungen, die vom irischen Gesetzgeber in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht gegebenenfalls festgelegt werden, in Irland Informationen über rechtmäßig in anderen Mitgliedstaaten angebotene Dienstleistungen (gemeint war die Möglichkeit einer Abtreibung) zu erhalten oder verfügbar zu machen (Vertrag über die Europäische Union 1992). Diese Klauseln wurden im Dezember 1992 in Irland als Verfassungsänderungen beschlossen. Ergänzt wurde, dass der Schutz ungeborenen Lebens weder die Reisefreiheit zwischen Irland und einem anderen Staat noch die Freiheit beschränken dürfe, in Irland (gemäß den gesetzlichen Bestimmungen) Auskünfte zu erhalten oder verfügbar zu machen, die sich auf in einem anderen Staat legale Dienstleistungen beziehen.

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  21. So wurde mit Mary Robinson überraschend die erste von Labour nominierte (danach aber politisch unabhängig auftretende) irische Präsidentin gewählt, weil die Wertorientierung die Parteienaffinitäten kreuzte. Dies reflektierte von den Parteien wenig aufgegriffene säkular-konfessionelle Konflikte (Hardiman/ Whelan 1994: 185f.; Sinnott 1995: 278; Farrell 1999: 45).

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  22. In Irland wurde interpretiert, der kleine Staat habe auf EU-Ebene in einer entscheidenden wirtschafts-und finanzpolitischen Entwicklungsphase als Präzedenzfall gedient, um präventiv abzuschrecken und andere, größere Staaten wie Italien verurteilen zu können, sollten sie die Richtlinien missachten (Lee/ Creed 2004: 174 ff.).

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  23. Deutliche Ausnahmen hiervon bildeten lediglich die EG-Mitgliedschaft, für die sich 58,4 Prozent der Wahlberechtigten aussprachen, sowie die beiden Referenden im Juli 1979, in denen mit 99,0 bzw. 92,4 Prozent die bei Weitem höchsten Zustimmungsvoten mit der historisch niedrigsten Wahlbeteiligung von jeweils nur 28,6 (!) Prozent einhergingen (Elvert 1999: 260).

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  24. Dazu zählten die Verlängerung der Aussetzung der Gewerbekapitalsteuer und der Vermögensteuer in den neuen Bundesländern bis Ende 1994 unter Beibehalt der Gewerbekapitalsteuer in den alten Ländern sowie ein Ausgleich für die Mindereinnahmen der Kommunen aus Unternehmensentlastungen durch Verringerung der Gewerbesteuerumlage (Bundesgesetzblatt I 1992. 9: 297).

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  25. Der Städtetag bestand aber darauf, die kommunale Gewerbesteuer in ihrem Kern zu erhalten (Singer 1995).

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  26. Er forderte Bundesfinanzminister Waigel in einem Brief auf, mit allen formalen Gesetzgebungsschritten zu warten, bis erkennbar sei, dass sich die erforderliche Mehrheit finde. Werde die SPD gezwungen, ein zweites Mal dagegen zu stimmen, verbaue dies womöglich eine baldige Lösung (FAZ, 20.06.1995).

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  27. Verfassungsrechtlich vorstrukturiert, erhielten Bund und Länder festgelegte Anteile an der Einkommen-, Körperschaft-und Umsatzsteuer. Hinzu kamen bei den Bundesländern die Einkünfte aus eigenen Steuern und Abgaben sowie Effekte (Nettozahlungen oder Nettogewinne) aus dem horizontalen und vertikalen Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern. Die Einnahmen der Kommunen ergaben sich aus selbst erhobenen Steuern, wie der Gewerbesteuer, und Anteilen an Gemeinschaftssteuern sowie aus Zuweisungen des betreffenden Bundeslandes. Hinzu kam ein vertikal organisierter kommunaler Finanzausgleich auf der Ebene des Bundeslandes aus Zweck-, Schlüssel-und Bedarfszuweisungen. Seit der Gemeindefinanzreform 1970 führten die Kommunen außerdem eine Gewerbesteuerumlage an Bund und Land ab, die dazu diente, die überdurchschnittliche Gewerbesteuerkraft vor allem der größeren Städte teilweise abzuschöpfen. Alle Gemeinden erhielten dafür einen Anteil an der Einkommensteuer, der lokale Einnahmedisparitäten minderte (Kopp/ Gössl 2003: 17; siehe auch Schuppert 1993).

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  28. Der Anstieg ging u.a. auf die Grundgesetzänderung vom 20.12.1993 zurück, die in Art. 106a den Bundesländern im Zuge der Privatisierung der Bundesbahn ab 01.01.1996 einen Anspruch auf einen Betrag aus dem Steueraufkommen des Bundes für den öffentlichen Personennahverkehr zuschrieb (Niedersächsische Allgemeine, 19.04.1995).

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  29. Zur damaligen Situation der Kommunalfinanzen, den in der Wissenschaft angestellten Reformüberlegungen und Simulationen siehe Junkernheinrich 1991a, b; Micosatt/Junkernheinrich 1991; Junkernheinrich/Notheis 1996.

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(2008). Der Start der individualistischen Phase: Dominanz „normalpolitischer“ Eigeninteressen und Änderungsminimalismus in komplexen Strukturen. In: Verfassungsänderungen in etablierten Demokratien. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91193-9_4

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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