Auszug
Es gibt wohl keinen Begriff der aktuellen politischen Debatte, der schwammiger ist als „europäische Identität“. Worauf soll, worauf kann sie sich beziehen? Auf die geographische Gestalt des Kontinents, das kulturelle Erbe der europäischen Geschichte, das Christentum und die Aufklärung oder auf gemeinsame europäische Werte? Dem mittlerweile zur politischen Alltagsroutine gewordenen Einigungsprozess ist eines bisher nicht gelungen: Die Bürger in einem nennenswerten Umfang „mitzunehmen“, emotional zu binden und ein Europa-Bewusstsein zu entwickeln. Umfragen bestätigen: „Europa“ rangiert als Bezugseinheit kollektiver Identifikationen konstant an letzter Stelle.1
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Literatur
Im Jahre 2004 hat Eurobarometer (Nr. 61) einige spezielle Fragen zur europäischen Identität eingeführt, die später soweit ich sehe, nicht mehr auf die selbe Weise erhoben wurden. Demzufolge ist zwar die Flagge der EU mittlerweile bekannt (81% der Europäir kennen sie), weniger bekannt ist allerdings die Hymne: Von Beethovens «Ode an die Freude» wissen nur 25%. Auf die Frage, wie sich die Befragten in Zukunft sehen, antworteten nur 4%, sie würden sich ausschließlich als Europäir sehen. Weitere 6 % verstehen sich als Europäir und in zweiter Linie als Bürger ihres jeweiligen Staates. Bei 46% rangiert ihre jeweilige Nationalität an erster Stelle und Europa an zweiter. Doch 41 % sehen sich ausschließlich als Bürger ihres jeweiligen Staates und nicht als Europäir. Die Zahlen für die Deutschen entsprechen weitgehend dem europäischen Durchschnitt (6% Europäir, 8% Europäir und Deutsche, 46% Deutsche und Europäir, 38 % Deutsche). Einen Trend hin zu einer größeren Zahl von Menschen, die sich ausschließlich oder zumindest zusätzlich als Europäir verstehen, lässt sich auch über einen längeren Beobachtungszeitraum von 30 Jahren nicht erkennen (vgl. Roose 2007).
Grundlegend für dieses sozial-konstruktivistische Verständnis von kollektiver Identität: Weber 1976: 234–244.
Im Folgenden stütze ich mich auf die Analyse Remí Braques (1993)
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© 2008 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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(2008). Kritik der europäischen Identität. In: Europa Ohne Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91189-2_9
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91189-2_9
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Online ISBN: 978-3-531-91189-2
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