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Marktintegration ohne Sozialintegration

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Europa Ohne Gesellschaft
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Auszug

Obwohl die Soziologie über eine differenzierte Begrifflichkeit verfügt, um gesellschaftliche Makrogebilde und deren soziale Dynamiken näher zu bestimmen, wie beispielsweise „Vergesellschaftungen“ (Max Weber), „soziale Systeme“ (N. Luhmann), „gesellschaftliche Gemeinschaft“ (T. Parsons) oder auch „Institutionenordnungen“ (M. R. Lepsius), ist in der makrosoziologischen Europaforschung nach wie vor meist ein problematischer, holistischer und geographischer Gesellschaftsbegriff gebräuchlich. Hierbei wird oft unreflektiert Gesellschaft mit Staatsgesellschaft bzw. Nationalgesellschaft gleichgesetzt. So ist es üblich, über eine deutsche, eine italienische oder auch eine japanische Gesellschaft zu sprechen. Die vergleichende Sozialstrukturforschung untersucht deren strukturelle und kulturelle Differenzen sowie Gemeinsamkeiten. Die Gesellschaftstheorie bezieht sich auf diese staatlich verfassten Einzelgesellschaften als integrierte Einheiten und Gesamtgesellschaften mit territorialen Grenzen (vgl. Luhmann 1997: 31ff., 1045; Kreckel 1997: 286ff.). Dieses Vorgehen war so lange sinnvoll, wie die Gesellschaften der Nationalstaaten das dominierende politische Vergesellschaftungsmodell und damit den umfassendsten und wichtigsten systemischen und sozialen Integrationsrahmen (unterhalb der Weltgesellschaftsebene) darstellten (vgl. Offe 2001; Stichweh 2000). Es besaß auch noch empirische Plausibilität, solange die gesellschaftliche Realität dem nationalstaatlichen Modell der weitgehenden Kongruenz von Grenzen des Territoriums, des Staates, der Wirtschaft, der Kultur entsprach und das aus dem Verhältnis dieser Vergesellschaftungskreise hervorgehende Gebilde als „koextensive Wirtschafts-, Werte- und Zwangsgemeinschaft“ (Streeck 1998: 21) angesehen werden konnte.

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Literatur

  1. Jürgen Habermas gehört zu denjenigen prominenten Intellektuellen, die mit der Erwartung einer Rekonstruktion des territorialen Modells der Sozialintegration und vor allem des Wohlfahrtsstaates auf europäischer Ebene große Hoffnungen verbinden (vgl. Habermas 2001: 104–129; ders. 2004: 68–82; ders. 2007).

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  2. Besonders Peter Flora (2000; 2000a) hat auf die heuristische Fruchtbarkeit von Stein Rokkans Theorieansatz für die Analyse des europäischen Integrationsprozesses hingewiesen. Siehe außerdem Bartolini (2005), Ansell/Di Palma (Hg.) 2004.

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  3. Der entsprechende ‚technologische Stil’ wird durch die digitale Datenverarbeitung und die Telematik bestimmt. Diese ersetzen den „Taylorismus“ und „Automobilismus“ der vorangegangen Epoche (vgl. Bornschier 2000a).

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  4. Auch in den Verhandlungen zum Vertrag von Maastricht finden sich negative Wohlfahrtseffekte und soziale Verwerfungen als mögliche Folgen der Währungsunion so gut wie nicht berücksichtigt (vgl. Dyson und Featherstone 1999).

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  5. Delors’ Projekt eines éspace social européen zielte auf eine europäische Arbeitsmarktpolitik, einen europäischen „Dialog“ der Sozialpartner und auf verbesserte europäische Abstimmungen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit (Bornschier 2000 (Hg.): 152ff.; Ziltener 1999: 182).

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  6. Über die Auswirkungen von Deregulierung der Arbeitsmärkte und der Europäischen Währungsunion auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit als einem der wichtigsten Faktoren von sozialer Ungleichheit liegen bisher nur widersprüchliche Befunde vor, die keine eindeutige Zuschreibung von negativen Arbeitsmarkteffekten möglich machen (vgl. Samek Lodovici 2000: 53f.; Esping-Anderson/Regini (Hg.) 2000; Cameron 2001; Bermeo (Hg.) 2001.). Ein klareres Bild gewinnt man hingegen bei der Frage nach den Arbeitsmarkteffekten der EU-Osterweiterung. Hebler zufolge haben „die Handels-und Kapitalströme zwischen der EU und den MOEL relativ zu wenig Gewicht (...), um makroökonomisch spürbare Effekte auf den Arbeitsmärkten der EU zu haben“ (Hebler 2002: 96). Demgegenüber sind derselben Studie zufolge „positive Wohlfahrtseffekte aus zunehmenden Handelsvolumina und ausländischen Direktinvestitionen... nicht ausreichend, um die drohenden Arbeitsmarkteffekte in den MOEL zu kompensieren. Im Gegenteil, weil der aus zunehmendem Handel und steigenden ausländischen Direktinvestitionen resultierende Wettbewerbsdruck die Umstrukturierung der mittel-und osteuropäischen Volkswirtschaften sogar noch intensivieren wird, ist bei vollständiger Übernahme und strikter Implementierung des Acquis eher ein zusätzlicher negativer Arbeitsmarkteffekt zu erwarten“ (ebd.: 141).

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© 2008 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

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(2008). Marktintegration ohne Sozialintegration. In: Europa Ohne Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91189-2_2

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-14728-4

  • Online ISBN: 978-3-531-91189-2

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