Skip to main content
  • 18k Accesses

Auszug

Ein methodologisches Programm, das einen quantitativen Methodenmonismus durch einen nomologisch-deduktiven Erklärungsbegriff und ein hypothetiko-deduktives Modell des Forschungsprozess begründet, führt bei der Untersuchung von Strukturen begrenzter Reichweite also in Probleme. Lassen sich diese Probleme nun dadurch vermeiden, dass auf eine einheitswissenschaftliche Sichtweise und die Anwendung des HO-Schemas in den Sozialwissenschaften grundsätzlich verzichtet wird? Seit dem Methodenstreit in der deutschen Nationalökonomie und Soziologie an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurden durch eine Gegenüberstellung von erklärenden Naturwissenschaften und verstehenden Geistes- und Sozialwissenschaften verschiedene Versuche unternommen, methodologische Programme vorzuschlagen, die eine eigene erkenntnistheoretische Grundlage für die Sozialwissenschaften begründen sollten.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 39.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 64.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Literatur

  1. Angenommen, wir versuchen, ohne irgendwelche mentalistischen Begriffe zu verwenden, anzugeben, was es heißt, jemand glaube, es gebe Leben auf dem Mars. Folgendes wäre eine Möglichkeit: Sobald in Anwesenheit des Betreffenden ein bestimmtes Geräusch (‘Gibt es Leben auf dem Mars?’) erzeugt wird, bringt er ein anderes Geräusch hervor (‘Ja’). Dies zeigt natürlich nur dann, dass er glaubt, es gebe Leben auf dem Mars, wenn er Deutsch versteht, wenn er seinen Laut absichtlich ausgestoßen hat, wenn dies eine Erwiderung auf die anderen Laute war, insofern diese auf Deutsch eine bestimmte Bedeutung haben, usw. Für jeden Mangel, der entdeckt wird, fügen wir eine neue Klausel hinzu. Doch wie sehr wir auch an den nichtmentalen Bedingungen herumflicken und-probieren, immer wieder stoßen wir auf die Notwendigkeit, eine weitere Bedingung mentalen Charakters hinzuzufügen (vorausgesetzt, dass er es merkt, dass er es versteht, usw.).“ (ebd., S. 305)

    Google Scholar 

  2. Die Methode in ihrer ursprünglichen Form diente der Analyse von Sequenzen familialer Interaktion, die den Interpreten in der Form schriftlicher Protokolle vorlagen. Später wurde das Verfahren von Oevermann und anderen auf verschiedene andere Formen schriftlichen Materials, z.B. auf biographische Interviews (Oevermann u.a. 1980), Kontaktanzeigen (Nagler, Reichertz 1986), Material aus Fernsehsendungen (Lenssen, Auffenanger 1986), Gedichte (Oevermann 1982) usw. ausgedehnt.

    Google Scholar 

  3. Oevermann und Kollegen räumen allerdings ein, dass der Neurotizismus der Interpreten im Einzelfall wohl schwer zu prüfen sein wird. Und es würde auch kaum zu verhindern sein, dass besonders neurotische Menschen die von ihnen vorgeschlagene Methode einsetzen. Man könne also „immer nur hoffen, daß besonders neurotisch veranlagte Menschen sich dieses Arbeitsgebiet nicht auswählen“ (Oevermann u.a. 1979, S. 393)

    Google Scholar 

  4. So stellt sich die Frage, ob das Forschungsprogramm der Objektiven Hermeneutik eher als ein „degenerierendes“ denn als ein prosperierendes „theoretisch progressives Forschungsprogramm“ anzusehen ist, welches „zur Antizipation theoretisch neuartiger Tatsachen im Verlauf seines Wachstums“ (Lakatos 1982, S.48) in der Lage wäre.

    Google Scholar 

  5. Hierzu ein Beispiel aus einer objektiv hermeneutischen Analyse eines biographischen Interviews mit einer Fernstudentin: Der Umstand, dass die Betreffende erst 19 Jahre nach ihrem 1957 abgelegten Abitur ein Fernstudium aufgenommen hat, stellt für Oevermann und Kollegen einer erklärungsbedürftige Abweichung von einer universellen Regel dar, weil „zu jener Zeit über 90% der Abiturienten ein Studium aufgenommen haben.“ (Oevermann u.a. 1980, S.32). Ein Blick in das statistische Jahrbuch für das Jahr 1956 („normalitätskonstituierend für 1957“, so Reichertz, 1986) belehrt jedoch darüber, dass zu dieser Zeit nur etwa 40% aller weiblichen Abiturienten direkt nach dem Abitur ein Studium aufnahmen — es wäre demnach also eher erklärungsbedürftig gewesen, falls die Interviewte damals tatsächlich ein Studium aufgenommen hätte.

    Google Scholar 

  6. So gab bspw. bereits 1982 Heinz Bude zu bedenken, dass möglicherweise nicht jeder Lernprozess eines Familiensystems durch die zu einem bestehenden Zeitpunkt vorliegende Systemstruktur determiniert sei, sondern nur „die Varianz möglicher Lernprozesse“ (Bude 1982, S. 139).

    Google Scholar 

  7. Dass das Verstehen bzw. die Erklärung einzelner Handlungen und das Verstehen bzw. die Erklärung von Aggregatphänomenen derselben Logik folgen, machte bereits Abel in seinem Aufsatz „The Operation cal-led Verstehen“ (Abel 1948) anhand etlicher Beispiele deutlich. Der für agrarisch geprägte Gesellschaften häufig beobachtete demographische Zusammenhang zwischen der jährlichen Agrarproduktion an Feldfrüchten und der Heiratsrate in ländlichen Gegenden lässt sich etwa erklären unter Rückgriff auf eine allgemeine Verhaltensregel, die sich so formulieren ließe: „Wenn eine Verschlechterung der eigenen Situation zu erwarten ist, sollte die Übernahme von persönlichen Verpflichtungen vermieden werden“. Wird diese Handlungsmaxime als gültig angenommen (d.h. wird davon ausgegangen, dass die Akteure diese Handlungsmaxime kennen und anwenden) so können hypothetische Schlussfolgerungen hinsichtlich der geltenden Antezedensbedingungen so formuliert werden: Viele Bewohner ländlicher Gebiete, in denen die Heiratsrate nach Missernten sank, definierten ihre Situation als potentiell ökonomisch unsicher.

    Google Scholar 

  8. Solche Fragen sind für Ansätze, die wie die Objektive Hermeneutik von der Existenz universeller latenter Sinnstrukturen ausgehen, welche ihren Niederschlag in jeder einzelnen Handlung oder Interaktion finden, ohnehin nicht von großem theoretischem Interesse. Aber auch Ansätze, die eine solche starke (und wie gezeigt, auch äußerst angreifbare) theoretische Kernannahme nicht enthalten, wie etwa sozialanthropologische und ethnographische Verfahren gehen mit ihrer Tendenz, sich stark auf Informationen einzelner „key informants“ und „local authorities“ zu stützen, oft zumindest implizit von der Voraussetzung aus, dass die untersuchten Kulturen „monolithisch“ sind und die Akteure dort hochgradig konform handeln, wie etwa Cohen (1984, S. 223 f.) kritisch anmerkt. Eine Reihe von Beispielen dafür, wie eine einseitige Fallauswahl in ethnographischen Studien zu einer Vernachlässigung der Variation von Handlungsmustern im Untersuchungsfeld und damit letztendlich zu verzerrten Resultaten fuhren kann, gibt Goldthorpe (2001): so führt etwa die Aufmerksamkeit, die Willis (1977) in seiner Untersuchung über britische Arbeiterjugendliche in einer englischen Gesamtschule auf Angehörige einer devianten Gegenkultur legte, zu einer systematischen Vernachlässigung jener peer groups, deren Mitglieder institutionelle Normen sehr weitgehend akzeptierten. Seiner Schlussfolgerung, dass in der qualitativen Sozialforschung „still almost everything remains to be dorn“, (ebd., S.76) was die Entwicklung von Verfahren methodologischer kontrollierter Stichprobenziehung angeht, muss jedoch mit Hinblick auf die verschiedenen Strategien einer systematischen qualitativen Fallauswahl, die in der qualitativen Methodendiskussion in den letzten 40 Jahren vorgeschlagen wurden, widersprochen werden.

    Google Scholar 

  9. Diese Tatsache findet ihren Ausdruck etwa in dem Umstand, dass, wie Merkens in einem Überblicksartikel über dieses Thema resümiert „auch neuere Handbücher zu qualitativen Methoden keine Artikel zu diesem Problem, sondern den Hinweis enthalten, dass bei qualitativen Studien wenig Wert auf de Bestimmung des Rahmens der jeweiligen Stichprobe gelegt werde“ (Merkens 2000, S. 290).

    Google Scholar 

Download references

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2008 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

(2008). Probleme des sozialwissenschaftlichen Sinnverstehens. In: Die Integration qualitativer und quantitativer Methoden in der empirischen Sozialforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91174-8_5

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91174-8_5

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-16144-0

  • Online ISBN: 978-3-531-91174-8

  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

Publish with us

Policies and ethics