Auszug
Die verborgenen Strukturen und Mechanismen des Terrorismus mit den soziologischen Mitteln zu enthüllen, die uns Bourdieu mit seiner Praxistheorie zur Verfügung stellt, ist keine leichte Aufgabe. Zum einen ist Terrorismus ein politischer Kampfbegriff, der in den politischen Auseinandersetzungen um die Macht in bestimmten Feldern des sozialen Raums strategisch eingesetzt wird. Eine soziologische Definition des Begriffs muss diesen Umstand methodisch reflektieren, um nicht in politischen Kämpfen um die Definitionsmacht instrumentalisiert zu werden. Zur methodischen Reflexion der Erforschung des Terrorismus muss darüber hinaus gesehen werden, dass sich der Untersuchungsgegenstand für eine Fremdbeobachtung jeder Art nicht ohne weiteres erschließt. Denn Terroristische Orga- nisationen sind wie Geheimbünde organisiert und müssen sich aus ihrem Selbstverständnis heraus von der Öffentlichkeit abschotten, um operationsfähig zu bleiben. Einer der seltenen öffentlich sichtbaren Formen der Praxis des Terrorismus ist der Terroranschlag, der als Akt der physischen Gewalt außerhalb des staatlichen Gewaltmonopols in einem abgeschotteten, dem Beobachter verborgenen Bereich der sozialen Welt planmäßig vorbereitet wird. In Terrorakten erleben wir einen plötzlichen Praxiseffekt durch die im Akt des Terrors mündende Verkettung von Praktiken. „Die Eruption von Gewalt erschreckt und fasziniert durch ihre Plötzlichkeit“ (Soeffner 2003: 58).
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Hillebrandt, F. (2008). Die IRA als Praxisfeld. In: Bonacker, T., Greshoff, R., Schimank, U. (eds) Sozialtheorien im Vergleich. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91172-4_7
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