Auszug
Seit den späten achtziger Jahren hat die Geschwindigkeit des Umschlags neuer Paradigmen, Theorien und empirischer Befunde in der Industriesoziologie beträchtlich zugenommen. Kaum eine Publikation kommt in ihrem Titel mehr ohne Stichworte wie „Umbruch“, „Wandel“ oder „Transformation“ aus. Grundlegende historische Neuerungen — vom Internet zur Globalisierung bis hin zum „Arbeitskraftunternehmer“ und zur „Wissensarbeit“ — werden in immer rascherer Folge entdeckt, und diese Entdeckungen pflegen regelmäßig auch die Forderung nach einem theoretischen „Paradigmenwechsel“ auszulösen. Die Beschleunigung des Theorieumschlags ging ursprünglich weniger von der Industriesoziologie als von der allgemeinen Soziologie aus. Schon in den siebziger Jahren hatte Daniel Bell die „Postindustrielle Gesellschaft“ ausgerufen. In den neunziger Jahren nahm das Angebot neuer Paradigmen beträchtlich zu: Peter Drucker proklamierte die „postkapitalistische Gesellschaft“, Robert Reich die „Informations-“, Nico Stehr die „Wissens-“ und Manuel Castells die „Netzwerkgesellschaft“.
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Literatur
Der Versuch einer genaueren empirischen Überprüfung durch die Autoren selbst fiel freilich eher ernüchternd aus (Pongratz und Voß 2002).
Als ein inspirierendes aktuelles Beispiel sei nur Robert Castels groüber die „Metamorphosen der sozialen Frage“ (Castel 2000) genannt.
Die Industrie-und Arbeitssoziologie reiht sich mit dieser Zielsetzung in den breiteren Strom der sich bereits seit einiger Zeit in den USA, zunehmend aber auch in Deutschland entwickelnden „neuen Wirtschaftssoziologie“ (Smelser und Swedberg 1994, Beckert 1997, 2002a) ein.
Beispielhaft kann dieser Effekt an der Entwicklung in den Vereinigten Staaten seit der Mitte der Siebziger Jahre studiert werden (Zweig 2000: 61f.). Aufschlussreich ist auch Barbara Ehrenreichs auf teilnehmende Beobachtung gestützte Studie über die amerikanische Dienstleistungswirtschaft (Ehrenreich 2001).
Es ist wohl kein Zufall, dass die Diskussion über den Klassenbegriff gegenwärtig gerade in den USA und Großbritannien, wo die Demontage des Wohlfahrtsstaates relativ weit fortgeschritten ist, wieder auflebt. (Siehe z. B. Zweig 2000, Crompton et al. 2000)
Willkes Hinweise auf die „Utopie des Marktes“ sind irreführend. Märkte sind ein höchst irdisches, nicht im Singular, sondern im Plural auftretendes Phänomen: Märkte für Obst, Elektrizität, Lastwagen, Therapiestunden, Computer usw. Es ist allein das Geld, das die Märkte miteinander verbindet, kommensurabel macht und „den“ Markt erst herstellt. Diese Universalität des Geldes war es ja, die mit der „Great Transformation“ praktisch zum Durchbruch gekommen war. Es handelt sich folglich um die Utopie des zum „absoluten Mittel“ (im Simmel’schen Sinn) herangewachsenen Geldes, das sich selbst zum höchsten Zweck wird (vgl. auch Deutschmann 2001).
Im Zeitraum zwischen 1500 und 1820 verdreifachte sich das Weltsozialprodukt; in der nur halb so langen Zeit zwischen 1820 und 1992 vervierzigfachte es sich (Lang 2000: 24).
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© 2008 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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(2008). Industriesoziologie als Wirklichkeitswissenschaft. In: Kapitalistische Dynamik. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91165-6_9
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Online ISBN: 978-3-531-91165-6
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