Auszug
Berufliche Bildung wird gegenwärtig an der Programmatik eines „Lebenslangen Lernens“ ausgerichtet, die arbeitsprozessorientierte und informelle Lernformen in den Vordergrund stellt. Diese Programmatik steht im Licht der „Wissensgesellschaft“, in der es immer wichtiger geworden ist, an der Entwicklung und Verwertung gesellschaftlichen Wissens partizipieren zu können.1 Die Möglichkeiten der Teilhabe sind jedoch angesichts der zunehmenden privatwirtschaftlichen Kontrolle und Verfügung über dieses Wissen so begrenzt, dass sich ein struktureller Widerspruch ergibt, der nicht nur Arbeits-, sondern auch Bildungsprozesse durchdringt.2 Eine weitere Rolle spielen auch veränderte Machtstrukturen im Arbeitsprozess. Da neue Managementkonzepte den Einfluss menschlicher Arbeitskraft nicht mehr durch Standardisierung und Technisierung entsubjektivieren, können Machtstrukturen nicht länger durch Fremdkontrolle hergestellt und abgesichert werden, sondern müssen durch die Formen der Selbstkontrolle und Selbstorganisation hindurch wirken. Zwar sind so selbständiges Denken und Handeln gefragt — ein selbstbestimmtes Lernen und Arbeiten, durch das sich der notwendige Eigensinn erst herausbilden kann, wird jedoch problematisch.
Selbst für die sog. einfachen Tätigkeiten sind die Anforderungen gestiegen und spezielle Fähigkeiten notwendig geworden, um Informationen zu verarbeiten, komplexere Maschinen oder Automaten zu bedienen oder sich mit anderen Menschen zu verständigen.
Wie die Teilhabechancen für den Einzelnen aussehen, ist aufgrund dieses strukturellen Widerspruchs nicht aus einseitigen oder linearen Kausalbeziehung — etwa zwischen Bildungsniveau, Arbeitsmarktposition und Einkommen — herzuleiten. Solche Effekte werden zwar immer noch statistisch nachgewiesen, die ihnen zugrunde liegenden Widerspruchseffekte und Segregationsformen sind aber weit komplexer: hierbei werden ökonomische soziale Ungleichheiten und institutionelle Ausschlussmechanismen von variablen Faktoren und individuellen Bewältigungsstrategien überlagert und schaffen auch für das permanente Um- und Weiterlernen im Beruf eine strukturelle Verunsicherung (Langemeyer 2007).
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© 2008 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Langemeyer, I. (2008). Kompetenzentwicklung durch Teilhabe — Selbstbestimmtes Lernen in der beruflichen Bildung. In: Rihm, T. (eds) Teilhaben an Schule. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91162-5_22
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