Auszug
Es ist ein allgemeines Phänomen unseres Alltags, dass soziale Interaktionen mit Bewertungen verbunden sind, mit denen sich die beteiligten Akteure ihre jeweiligen Einschätzungen signalisieren, subjektive Nähen oder Distanzen erzeugen, Anerkennung, Gleichgültigkeit oder Missachtung zum Ausdruck bringen. Wie persönlich auch immer ein solcher Austausch geprägt sein mag, stets gehen soziale Elemente in ihn ein, die sich vor allem am gesellschaftlichen Status der betreffenden Personen festmachen lassen. Ob Akteure einander über- und untergeordnet sind oder ob sie sich als Gleiche begegnen, bestimmt Inhalt und Verlauf des gegenseitigen Handelns wesentlich mit. Die Sozialstruktur einer Gesellschaft schlägt sich daher in den alltäglichen Begegnungen nieder, und bis in die kleinsten lebensweltlichen Episoden hinein werden Interaktionen durch die jeweilige Verteilung sozialer Positionen geprägt. Die Bewertungen wiederum, die soziale Interaktionen begleiten, treffen immer auch Aussagen über die soziale Stellung, die Akteure inmitten größerer gesellschaftlicher Zusammenhänge einnehmen, und über das Ausmaß an Anerkennung und Wertschätzung, das Akteure in diesen sozialen Zusammenhängen jeweils genießen.
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Literatur
Ungeachtet dessen hat Dieter Karrer (2002) in seiner Untersuchung über einen Züricher Stadtteil die Fruchtbarkeit des figurationssoziologischen Ansatzes zur Analyse wechselseitiger Kategorisierungen zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen erneut aufgezeigt: Die etablierten Gruppen, Schweizer und Italiener, distanzieren sich von anderen Ethnien, während zwischen den verschiedenen Außenseitergruppen eine rigorose Abgrenzung das Verhalten bestimmt und die eine Gruppe im Medium stigmatisierender Zuschreibungen auf die andere herabschaut. Zwischen Türken, Jugoslawen und Albanern entsteht so eine symbolische Ordnung des abgestuften Außenseitertums, bei der im Wesentlichen die Aufenthaltsdauer im Land das Regime der Stigmatisierung führt (vgl. ebd.: 107 ff.).
Selbst kategorial-exkludierende Klassifikationen können in ihrem sozialen Gebrauch dazu führen, dass sich die Kontrahenten wechselseitig zumindest als Widerpart anerkennen, mit dem Kommunikation und sozialer Ausgleich sich lohnen. Ein schlagendes Beispiel für die potentiell integrative Kraft von Konflikten, bei denen es um ethnische und religiöse, also um kategoriale Unterschiede geht, stellen lokale Auseinandersetzungen um den Bau von Moscheen in multiethnischen Wohnvierteln dar. In einer Typologie verschiedener Moscheekonflikte haben Leggewie et al. (2002: 50 ff.) gezeigt, dass Konfliktvermeidung nicht nur den Bau geplanter Moscheen verhindert, sondern die Muslime auch weiter in die soziale Isolation treibt. Werden Moscheen hingegen unter anhaltenden Konflikten gebaut, können die oft hart geführten Auseinandersetzungen letztlich bewirken, dass die Muslime von der Mehrheitsgesellschaft in ihrer religiösen Besonderheiten anerkannt und als zugehörig betrachtet werden.
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© 2008 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Neckel, S., Sutterlüty, F. (2008). Negative Klassifikationen und die symbolische Ordnung sozialer Ungleichheit. In: Neckel, S., Soeffner, HG. (eds) Mittendrin im Abseits. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91157-1_2
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