Auszug
In dieser Einführung werden die Begriffe psychodynamische Psychotherapie und psychodynamische Traumatherapie erläutert. Fragt man nach einer gemeinsamen Grundlage der verschiedenen tiefenpsychologischen und psychoanalytischen Schulen oder Richtungen, so kristallisiert sich eine gemeinsame Modellvorstellung heraus, die als „psychodynamisch“ bezeichnet werden kann. Sie schließt u.a. den Begriff des „dynamisch Unbewußten“ ein. Da dieses Modell in Theorie und Praxis „wirklichkeitserschließend“ fungiert und im Übrigen eine Abgrenzung gegenüber anderen Ansätzen erlaubt, kann von einem psychotherapeutischen Paradigma gesprochen werden. Das psychodynamische Paradigma begründet eine therapeutische Praxis, die darauf abzielt, stagnierende Entwicklungsprozesse freizusetzen und die Fähigkeit des Menschen zu dialektischer Selbstregulation wieder herzustellen. Während der Wortteil „dynamisch“ in der Vergangenheit dazu verleitet hat, dem Begriff eine naturwissenschaftliche, etwa aus der Thermodynamik entlehnte Bedeutung zu unterstellen, wird im folgenden ein genuin psychologisches Verständnis entwickelt, worin die Besonderheit der psychosozialen Wirklichkeitsebene zum Ausdruck kommt, ohne „Anleihe“ bei naturwissenschaftlichen Modellen. Bewegung und Entwicklung von menschlichem Erleben und Verhalten (als Definition von Psychologie) aus seinen inneren Gegensätzen und ihrer „Aufhebung“ heraus, ist Kernannahme des psychodynamischen Paradigmas, das hierin an die Tradition des dialektischen Denkens anschließt.
Erstpublikation dieses Beitrages: Fischer, G. (2005), Psychodynamische Psychotherapie und Traumabehandlung — Definition und Einführung, in: Fischer, G., Eichenberg, C. (Hrsg.), Jahrbuch Psychotraumatologie (2005): Traumabedingte Störungen und ihre Behandlung durch tiefenpsychologische und analytische Psychotherapie, Asanger, Heidelberg, 9–27.
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Fischer, G. (2008). Psychodynamische Psychotherapie und Traumabehandlung — Definition und Einführung. In: Fischer, G., Schay, P. (eds) Psychodynamische Psycho- und Traumatherapie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91141-0_1
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