Auszug
Wenn die „religiositas“ die wichtigste aller Herrschereigenschaften blieb, dann durften für die frühen Historiographen an der Gültigkeit der von der Kirche gesetzten Normen keine Zweifel aufkommen. Umgekehrt mussten alle Entwicklungen und Bestrebungen, die gegen die Kirche gerichtet waren, in Deutlichkeit verurteilt werden. Diese Leitlinie trägt besonders auch die Darstellung der schwersten äußeren Bedrohung des frühen 15. Jahrhunderts: der Hussitengefahr. Sie steht vor allem im Mittelpunkt der Historiographie des Andreas von Regensburg114. Der Zeitgenosse streifte hier seine ihn sonst kennzeichnende Zurückhaltung ab und bezog in für ihn ungewöhnlicher Deutlichkeit Stellung115. Er stellte auch die Frage nach den Ursachen der Hussitengefahr. Natürlich hat er im Bündel der hier wirksamen Motivationen noch keinen Blick für die nationalen und sozialen Gründe. Für ihn war die Hu ssitengefahr ein Werk Gottes, der damit Nachlässigkeiten der Politik in Form unzureichender Bekämpfung der religiösen Irrlehren von Wyklif und Hus bestrafte: Weil diesen Bedrohungen nicht in der erforderlichen Entschlossenheit entgegengetreten wurde, können nunmehr die Hussiten zahlreiche Taugenichtse und Kriminelle aus vielen Regionen um sich scharen. Damit war das Urteil festgelegt. Die hussitische Bewegung wurde als Sammelbecken von Unmenschen gedeutet, die vor allem von Habgier, der „avaritia“ des Augustinus, getrieben wurden und letztlich auf den Umsturz der göttlichen Weltordnung abzielten116. Ihre Bekämpfung ist somit eine Notwendigkeit nicht nur der Verteidigung des Landes, sondern auch der Kirche und der göttlichen Weltordnung: „Boemi igitur tamquam canes in foribus propriis audaces per plures annos [...] opiniones sive vias contra consuetum modum [...] tenebant“117.
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Literatur
Rudolf Niederländer, Die Chronica Husitarum des Andreas von Regensburg als eine wesentliche Quelle für die Geschichte der Hussitenkriege, in: Liber ad magistrum. Festgabe Johannes Spörl, München 1964, S. 83–88.
Andreas von Regensburg, Sämtliche Werke (wie Anm. 17), S. 343–459.
Ebda., S. 690f.
Ebda., S. 120. Vgl. Brack, Bayerisches Geschichtsverständnis (wie Anm. 15), S. 343f.
Andreas von Regensburg, Sämtliche Werke (wie Anm. 17), S. 665. S. 432: „bella tarnen, que dominus suos fldeles passuros predixit, [...] nobis plus utilia sunt quam pax.“
Ludwig Schmugge, Die Kreuzzüge aus der Sicht humanistischer Geschichtsschreiber, Basel / Frankfurt a.M. 1987.
Übelein, Aventins Geschichtsbewusstsein (wie Anm. 85), S. 94–106.
Aventin, Sämmtliche Werke I (wie Anm. 21), S. 171–242.
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(2008). Die Hussitenfrage. In: Neue Wege der bayerischen Landesgeschichte. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91128-1_4
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