Auszug
Weil Erwerbsarbeit nach wie vor als zentraler Mechanismus der sozialen Integration gilt und groß Bedeutung für die persönliche Identitätsbildung hat, ist die Bewältigung von Erwerbslosigkeit für die einzelnen Individuen anforderungsreich. Für diesen Bewältigungsprozess sind auch die sozialen Beziehungen der betreffenden Personen maßgeblich. In sozialen Netzwerken können die Einzelnen vielfältige Unterstützung erhalten, die z.B. von emotionaler Stabilisierung, Geld- und Sachleistungen über Kinderbetreuung bis hin zur Vermittlung in eine neue Beschäftigung reichen kann. Einer solchen Unterstützung steht allerdings oftmals entgegen, dass sich soziale Netzwerke in Folge der Erwerbslosigkeit gravierend verändern. Dies bedeutet nicht zwangsläufig einen totalen Verlust an sozialen Kontakten und Unterstützungsleistungen. Unsere Untersuchungen1 zeigen, dass sich in der Arbeitslosigkeit soziale Netzwerke nur selten vollständig auflösen. Stattdessen — so unser Befund — findet ein Wandel in den Netzwerkkonstellationen der Betroffenen statt, der nicht nur quantitativer, sondern vor allem qualitativer Art ist. Durch die Erwerbslosigkeit kommt es zu einem Gestalt- und Funktionswandel sozialer Netzwerke, der Folge wie auch Bedingung des veränderten Zugriffs auf Ressourcen zur Bewältigung der Situation ist. Damit geht es also um die Frage, auf welche Formen der sozialen Unterstützung die Erwerbslosen zurückgreifen können und welche spezifischen Bewältigungsstrategien sie dabei entwickeln, die ihrerseits die Möglichkeiten sozialer Unterstützung beeinflussen. Auf der Grundlage eines ersten Zugriffs auf das vorliegende Interviewmaterial stellen wir vier Bewältigungstypen vor.
Der Artikel basiert auf 98 Interviews mit ALG-II-EmpängerInnen im Rahmen des Teilprojekts B9 „Eigensinnige Kunden. Der Einfluss strenger Zumutbarkeit auf die Erwerbsorientierungen Arbeitsloser und prekär Beschäftigter“ im SFB 580 an der FSU Jena. Daran knüpft das Promotionsvorhaben von Kai Marquardsen zur Bewältigung der aktivieren den Arbeitsmarktpolitik in sozialen Netzwerken an: mit 15 der im SFB-Projekt Befragten wurde ein zweites problemzentriertes Interview — inklusive des Einsatzes von Netzwerkkarten — zum Thema soziale Unterstützung und soziale Netzwerke geführt. Bei einem Teil der Befragten wurden zudem die wichtigsten Netzwerkpartnerlnnen (weitere 12 Personen) interviewt.
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Literatur
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Marquardsen, K., Röbenack, S. (2008). „... der Freundeskreis, der Bekanntenkreis hat sich total verändert“. Rekonstruktionen von sozialen Beziehungskontexten bei Arbeitslosengeld-II-EmpfängerInnen. In: Stegbauer, C. (eds) Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91107-6_37
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