Ob die Wahlen zum Bundestag, zu den Landtagen oder zu den kommunalen Parlamenten als Ritual bezeichnet werden können, hängt natürlich von dem verwendeten Begriff des Rituals ab. Nimmt man Chomskys (2001) Unterscheidung von Oberflächen- und Tiefenstruktur hier weniger als Analyseinstrument für Texte (als die Wahlen durchaus gelesen werden können), sondern als Metapher, so könnte eine Lösung dieses Definitionsproblems wie folgt aussehen: Auf der Oberflächenstruktur handelt es sich bei Wahlen um eine Entscheidung der jeweils Wahlberechtigten darüber, „welche Partei beziehungsweise Koalition von Parteien zusammen mit der vom Parlament zu wählenden Exekutive die Regierungsgewalt ausüben wird.“ (Falter/Schoen 2005: 9) Es handelt sich auf dieser Ebene um die (möglichst gelingende) Rekrutierung von Repräsentanten mit einem bestimmten Auftrag sowie um die „Bestellung der Opposition“ (ebd.: 10), also um zentrale Sachfragen der (zukünftigen) Entwicklung eines Gemeinwesens. Die Regelmäßigkeit des wiederkehrenden Stattfindens von Wahlen macht sie auf dieser Ebene zunächst noch nicht zum Ritual.
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Stiehler, HJ., Tennert, F. (2008). Alle Jahre wieder. Fernsehrituale am Wahlabend. In: Fahlenbrach, K., Brück, I., Bartsch, A. (eds) Medienrituale. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91078-9_6
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