Auszug
Europa ist trotz aller Integrationsbemühungen der letzten Jahrzehnte zwar eine relativ wohlhabende, aber immer noch eine sehr heterogene Weltregion geblieben. Erhebliche soziale, ökonomische und politische Ungleichheiten und Ungleichzeitigkeiten sind charakteristische Momente, unabhängig davon, ob wir Europa als supranationale Einheit oder als eine Reihe von Nationalstaaten betrachten. Mit den verschiedenen realisierten und geplanten Erweiterungen der Europäischen Union hat sich dieses Phänomen sogar noch verstärkt, es besteht immer noch ein Gefälle zwischen Nord und Süd und noch ausgeprägter zwischen Ost und West. Daher sind historisch wie aktuell intensive Formen des Ausgleichs und der Verhandlung nötig, um ein gewisses Maß(vgl. aus unterschiedlichen Perspektiven Crouch 2000; Lehmbruch 1996; Lessenich 2001). Die Parteiensysteme und die industriellen Beziehungen leisten dazu ihren Beitrag, vor allem aber wirkt hier der moderne Wohlfahrtsstaat durch die Regulierung von Märkten und durch seine Sozialpolitik. Im Wohlfahrtsstaat — so eine allgemeine Definition — besteht eine staatliche, über private Vorsorge und gemeinschaftliche Fürsorge hinausgehende Verpflichtung zur sozialen Sicherung und Förderung aller Bürger. Um dies zu gewährleisten, muss der Wohlfahrtsstaat umfangreiche Ressourcen an sich ziehen, die er wiederum in Form von monetären Transfers, sozialen Diensten und Infrastruktur zur Verfügung stellt. Auf diese Weise kommt es zu einer gesellschaftlichen Entwicklung, die als „sozialer Fortschritt“ bezeichnet wird und in deren Rahmen in den vergangenen 110 Jahren die Werte Sicherheit, Wohlfahrt, Freiheit und Gerechtigkeit in hohem Maße realisiert werden konnten.
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Schmid, J. (2008). Der Wohlfahrtsstaat in Europa — Divergenz und Integration. In: Gabriel, O.W., Kropp, S. (eds) Die EU-Staaten im Vergleich. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91075-8_25
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