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Verselbständigungsprozesse am Beispiel der WTO und der ZKR

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Auszug

In den vorherigen Kapiteln wurde eine theoretische Neubeschreibung internationaler Organisationen vorgeschlagen. Es wurde aufgezeigt, dass die Theorien der Internationalen Beziehungen nur einen eingeschränkten Erklärungsnutzen haben können, da sie staatszentriert argumentieren und daher Veränderungen von und in internationalen Organisationen nur durch Rekurs auf Staaten erklären können. Um Veränderungen und insbesondere Verselbständigungen als Prozess zu begreifen, der in und durch internationale Organisationen stattfindet, bedarf es eines organisationssoziologischen Instrumentariums, das in Kapitel 3 eingeführt und in Kapitel 4 anhand des soziologischen Neo-Institutionalismus bzw. der modernen Systemtheorie vertieft wurde. In diesem Kapitel wird nun am Beispiel zweier internationaler Organisationen veranschaulicht, wie sich anhand dieser Ansätze Verselbständigungsprozesse internationaler Organisationen erklären lassen. Damit wird freilich keine empirische Untersuchung ersetzt. Ganz im Gegenteil, eine empirische Untersuchung mithilfe der vorgeschlagenen organisationstheoretischen Konzepte ist weiterhin ein Forschungsdesiderat, weil es einer systematischen empirischen Analyse bedarf. Hier soll es vielmehr darum gehen, skizzenartig zu beschreiben, wie internationale Organisationen Selbständigkeit erklangen und diesen Status verändern können. Der Prozesscharakter der Selbständigkeit kann also nur angedeutet, nicht aber vollständig empirisch nachvollzogen werden. Auf diese Weise wird das Ziel verfolgt, den Erklärungswert der vorgestellten theoretischen Ansätze und den Mehrwert gegenüber den Theorien der Internationalen Beziehungen zu verdeutlichen. Denn bislang wurde zwar dargestellt, wie sich internationale Organisationen durch beide Organisationstheorien konzeptualisieren ließen und wie man bei einer empirischen Analyse vorzugehen habe.

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Literatur

  1. Nur wenige internationale Organisationen sind öffentlich so präsent und dabei gleichzeitig so umstritten wie die WTO. Denn zum einen ermöglicht sie durch allgemeine Rahmenbedingungen den zwischenstaatlichen Handel von Gütern und Dienstleistungen mit einem jährlichen Wachstum von mehr als 6% (seit 1950) (Bagwell/ Staiger 1999; World Trade Organization 2005b). Zum anderen wird die durch die WTO forcierte wirtschaftliche Liberalisierung als Gefahr für die soziale Sicherheit und den Umweltschutz begriffen (Rollo/Winters 2000; Siebert 1996).

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  2. Die ZKR unterhält über die internationale Arbeitsgemeinschaft der Rheinschifffahrt (IAR) privilegierte Beziehungen zum Gewerbe. So finden zwischen der ZKR und der IAR regelmäßige Gespräche über wirtschaftliche, technische und verordnungsrechtliche Fragen statt (Zentralkommission für die Rheinschifffahrt 1997: 10).

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  3. So wurde beispielsweise das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) 1972 ins Leben gerufen. Ferner wurden und werden internationale Organisationen vermehrt dazu aufgefordert, in ihren politischen Programmen umweltpolitische Implikationen zu berücksichtigen (Börzel/Risse 2002; Siebert 1996; Kraack/Pehle et al. 1998; Nielson/Tierney 2003).

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  4. Die Europäische Gemeinschaft bzw. die Europäische Kommission ist vor allem deshalb ein wichtiger Kooperationspartner für die Zentralkommission, weil sie im Bereich der Verkehrspolitik intensive Kontakte und Kooperationen pfleget und diese im Laufe der Jahre durch Abkommen institutionalisiert und verst?rkt hat (Europäische Kommission 2003).

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  5. Wie zum Beispiel ein Übereinkommen über die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Binnenschifffahrt (1998). Darüber hinaus beschäftigt sich die ZKR mit der Verhütung der Luftverschmutzung und orientiert sich dazu an einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft (Richtlinie 94/63 EG). In der Folge sind Regelungen für die Begrenzung von Abgasemissionen aus Dieselmotoren in der Rheinschifffahrt entstanden. Hierzu wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die durch Unterstützung von Sachverständigen Vorschläge für Vorschriften und Grenzwerte erarbeiten sollte, die später von der ZKR übernommen und durch weitere technisch-administrative Bestimmungen ergänzt wurden (Zentralkommission für die Rheinschifffahrt 1999: 25–35; Zentralkommission für die Rheinschifffahrt 2001a: 29–34).

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  6. „Zur Veranschaulichung: Zur Bewältigung des Verkehrsaufkommens auf dem Rhein bei Karlsruhe müsste eine neue Autobahn gebaut werden. An der deutsch-niederländischen Grenze wären die entsprechenden Bedürfnisse gar 10 Mal so groß. Zur Beförderung der Gütermenge, die auf der neuen Betuwe-Eisenbahnlinie transportiert wird, würden schon 10 Schiffe ausreichen. Mit Fug und Recht kann daher gesagt werden, dass die Binnenschifffahrt für die Rheinschiene von „übergeordnetem öffentlichen Interesse“ [...] ist“ (Seger 2006: 10).

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  7. Die Dualstruktur ist nach neo-institutionalistischem Verständnis ein Merkmal von Organisationen, um gleichzeitig Flexibilität hinsichtlich der Anpassung an Umwelterwartungen und Stabilität in den Arbeitsprozessen zu gewährleisten. Wie institutionalistierte Anforderungen auf die Ebene der Arbeitsprozesse wirken, bleibt der Organisation vorbehalten. In diesem Zusammenhang lässt sich für die ZKR vermuten, dass die institutionlisierte Anforderung zunächst ignoriert, später erduldet und schlussendlich anerkannt hat (Oliver 1991, siehe auch Abschnitt 4.1.). Inwiefern diese Anerkennung aus umweltpolitischer Überzeugung resultiert oder eher Ausdruck einer Strategie ist, um die Rheinschifffahrt zu fördern, müsste durch durch empirische Unterschungen geklärt werden.

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  8. Die WTO beschreibt sich selbst durch Anspielung auf ein Zitat der Comicfigur Superman: „There are a number of ways of looking at the WTO. It’s an organization for liberalizing trade. It’s a forum for governments to negotiate trade agreements. It’s a place for them to settle trade disputes. It operates a system of trade rules. (But it’s not Superman, just in case anyone thought it could solve—or cause—all the world’s problems!)“ (World Trade Organization 2005b: 8). Ergänzt wird diese Metapher, die vor allem die vielfältigen Aufgaben und Funktionen der WTO beschreibt, durch eine Anekdote, die an die Arenenmetapher erinnert (dazu Kapitel 2.2.2.): „Participants in a recent radio discussion on the WTO were full of ideas. The WTO should do this, the WTO should do that, they said. One of them finally interjected: Wait a minute. The WTO is a table. People sit round the table and negotiate. What do you expect the table to do?“ (World Trade Organization 2005b: 8). Damit wird deutlich gemacht, dass die WTO zwar ein Potential hat internationale Handelsbeziehungen zu prägen und Streitfälle zu schlichten, schlussendlich ist ihr Erfolg aber maßgeblich von Verhandlungspartnern, d.h. den Mitgliedstaaten, abhängig.

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  9. Das GATT wurde 1947 von 23 Mitgliedstaaten unterzeichnet und sollte in eine internationale Handelsorganisation (ITO) eingebettet werden. Da die Verträge zur Gründung der ITO allerdings nicht ratifiziert wurden, was maßgeblich auf den Widerstand der US-amerikanischen Legislative zurückgeführt wird, wurde das Provisorium GATT bis zur Gründung der WTO zum zentralen multilateralen Handelsabkommen zwischen 1947 und 1994 (Odell/ Eichengreen 1998: 184–187; Ott 1997: 5–8).

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  10. Unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten war das GATT bis 1994 ein Vertrag zwischen Staaten, die Vertragsparteien, nicht aber Mitglieder waren. Faktisch hat sich das GATT in den Verhandlungsrunden sukzessive zu einer internationalen Organisation ausgebildet, es beruhte auf einem zwischenstaatlichen Vertrag zwischen anfangs 23 (Genf-Runde 1947) und später 123 Staaten (Uruguay-Runde 1986–1994) und wurde durch ein ständiges unabhängiges Sekretariat unterstützt. Doch erst durch die Gründung der WTO wurde diesem Wandel auch institutionell Rechnung getragen. Sie verkörpert auch nach völkerrechtlichen Kriterien eine internationale Organisation (Kennedy 1987; Barton/Goldstein et al. 2006; Jackson 2002; Trebilcock/Howse 2005).

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  11. Zumeist wird die WTO darauf reduziert, die Liberalisierung internationaler Handelsbeziehungen zu verfolgen (Rittberger/ Zangl 2003: 224ff; Staehelin 1997: 3). Die WTO gibt die Handelsliberalisierung allerdings nur als Mittel zum Zweck der Wohlstandsmehrung an. Dies ist bereits in der WTO-Präambel angelegt (World Trade Organization 1994a: 1) und wurde jüngst durch die Ergebnisse der Doha-Runde untermauert. Dort heißt es im Vorwort: „The World Trade Organization (WTO) is a multilateral institution dedicated to helping build prosperity for all peoples of the globe by bolstering a free and fair trading environment“ (World Trade Organization 2002).

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  12. Die Prinzipien finden sich nicht im Gründungsvertrag der WTO, sondern in den multilateralen Abkommen im Anhang 1 (Anhang 1A: Multilaterales Handelsabkommen, Anhang 1B: Allgemeines Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen, Anhang 1C: Abkommen zu den handelspezifischen Aspekten geistiger Eigentumsrechte) zum WTO-Gründungsvertrag. Zur Vereinfachung konzentriert sich die Beschreibung hier ausschließlich auf den Handel mit Gütern im Rahmen des GATT. Gleichwohl gelten im Wortlaut ähnliche Prinzipien auch für den Handel mit Dienstleistungen und das Abkommen zu geistigen Eigentumsrechten (Senti 1994: 40–66).

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  13. Dabei werden sowohl der Abbau von Zöllen als auch die Transformation von nicht-tarifären in tarifäre Handelsbeschränkungen anvisiert, um letztere dann sukzessive abzubauen (World Trade Organization 1994a: Anhang 1, Art. XI).

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  14. In Artikel XX werden beispielsweise Maßnahmen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen eingeräumt (World Trade Organization 1994a).

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  15. Damit sind auch die zentralen Gründe benannt, weshalb mit Blick auf die WTO in den Theorien internationaler Beziehungen institutionenökonomische Ansätze hinzugezogen werden. Sie argumentieren, dass internationale Organisationen wie die WTO vor allem zur Reduktion von Transaktionskosten beitragen, die beispielsweise in der Informationsbeschaffung liegen (Keohane 1984: 89–92).

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  16. Bei den angesprochenen Ausschüssen handelt es sich um den Ausschuss für Handel und Entwicklung, der periodisch die Situation der Entwicklungsländer untersucht und dem Allgemeinen Rat Bericht erstattet; den Ausschuss für Zahlungsbilanzbeschränkungen und den Ausschuss für Budget, Finanzen und Verwaltung, über den der Generaldirektor dem Allgemeinen Rat die Rechnungsvorlagen unterbreitet (World Trade Organization 1994a: Art. IV Abs. 7).

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  17. Selbst die WTO ignoriert nicht, dass sich Staaten zu unterschiedlichen Koalitionen zusammenschließen, um ihre Interessen in der WTO durchzusetzen (World Trade Organization 2005b: 91).

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  18. Die Etablierung eines Streitbeilegungsverfahrens ist nicht singulär, so gibt es ähnliche Verfahren auch in anderen internationalen Organisationen (Boisson de Charzournes/ Romano et al. 2002) oder zwischenstaatlichen Zusammenschlüssen wie dem MERCOSUR (Wehner 1999). Die Funktionsfähigkeit des WTOStreitbeilegungsverfahrens ist allerdings umso erstaunlicher, weil sich Staaten dieser Quasi-Gerichtsbarkeit unterordnen — selbst dann, wenn es ihren subjektiv-rationalen Interessen zu widersprechen scheint (Charnovitz 2001; Jackson 2004; Jordan 2005).

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  19. Nicht zuletzt war das Streitbeilegungsverfahren durch die Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise von 1929 geprägt, in der vor allem protektionistische Maßnahmen zur Abschottung der heimischen Märkte dazu führten, dass der Welthandel binnen kürzester Zeit zusammenbrach. Vor diesem Hintergrund kann die Asienkrise der späten 1990er Jahre als Prüfstein der Weltwirtschaftsordnung gelten. Denn im Gegensatz zur Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren setzten die verbilligten Exportgüter aus den Krisenstaaten Südostasiens keine Welle protektionistischer Gegenreaktionen in Bewegung. Die wichtigsten Handelsnationen wie die USA, die Europäische Gemeinschaft und Japan — ja selbst die von der Krise betroffenen Länder — hielten sich an die WTO-Regeln und verhinderten damit eine Ausweitung der Wirtschaftskrise (Felke 1999). In diesem Sinne kann die Bewältigung der Asienkrise als Erfolgsfall der WTO verstanden werden.

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  20. Um das Streitbeilegungsorgan mit der Einsetzung eines Panels zu beauftragen, muss durch die Streitparteien gegenüber dem Streitbeilegungsorgan dokumentiert werden, dass zuvor die nötigen bilateralen Konsultationen vorgenommen wurden, die allerdings zu keinem Ergebnis führten (World Trade Organization 1994a: Anhang 2, Art. 4, Abs. 4 und 7).

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  21. In Einzelfällen kann sich das Streitbeilegungspanel auch aus fünf Experten zusammensetzen, wenn die Streitparteien zehn Tage nach Einsetzung des Panels übereinkommen, ein Panel aus fünf Experten einrichten zu wollen (World Trade Organization 1994a: Anhang 2, Art. 8, Abs. 5).

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  22. Die Mitglieder des Berufungsorgans sollen einen Querschnitt der WTO-Mitglieder widerspiegeln und werden daher aus unterschiedlichen Staaten und Regionen rekrutiert (World Trade Organization 1994a: Anhang 2, Art. 17, Abs. 3). Die gegenwärtigen Mitglieder des Berufungsorgans sind: Georges Michel Abi-Saab (Ägypten), Luiz Olavo Baptista (Brasilien), Arumugamangalam Venkatachalam Ganesan (Indien), Merit E. Janow (USA), Giorgio Sacerdoti (Italien) — gegenwärtiger Vorsitzender, Yasuhei Taniguchi (Japan), David Unterhalter (Südafrika).

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  23. Diese Regelung hat auch eine empirische Relevanz, denn nur rund ein Viertel aller Streitfälle im Rahmen des Streitbeilegungsverfahrens wird durch einen Abschlussbericht abgeschlossen. Alle übrigen Fälle konnten zuvor zwischenstaatlich beigelegt werden. Sutherland, Bhagwati et al. stellen fest, dass sich ein Wandel im Gebrauch des Streitbeilegungsverfahrens beobachten lässt. Während nach der Einrichtung des Streitbeilegungsverfahrens in der WTO nahezu jeder Fall erst in einem Berufungsverfahren beigelegt werden konnte, enden gegenwärtig mehr Streitfälle durch die Annahme des Panelberichts ohne anschließendes Berufungsverfahren. „Again, this suggests that the jurisprudence of the WTO has provided a measure of predictability. This can lead governments to foresee what might be the chances of appeal“ (Sutherland/ Bhagwati et al. 2004: 50f).

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  24. In diesem Zusammenhang wird das Streitbeilegungsverfahren der WTO als „Herzstück globaler Gouvernanz des Welthandelssystems“ (Willke 2003: 305) bezeichnet oder als Teil eines globalen Rechts interpretiert (Alvarez 2005: 458ff; Goldstein/Kahler et al. 2000: 389f; Zangl/Zürn 2004).

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  25. Hierzu wird im Zukunftsbericht der WTO konstatiert: „One of the interesting facets of this record of complaints is a much greater participation of developing countries than was the case in the GATT dispute settlement system. Of course, the major trading powers continue to act either as complaint or respondent in a very large number of cases. Given their large amount of trade with an even greater number of markets, it could hardly be otherwise. Yet developing countries — even some of the poorest (when given the legal assistance now available to them) — are increasingly taking on the most powerful“ (Sutherland/ Bhagwati et al. 2004: 50).

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  26. In diesem Zusammenhang wird oft die Hypothese diskutiert, dass Staaten getroffene Vereinbarungen nur selten verletzen, wenn es ihren Interessen nützlich ist. Viel häufiger findet sich dagegen eine Unklarheit und Mehrdeutigkeit der Regeln, die dazu führt, dass bisweilen von unterzeichneten Staaten missverstanden oder fehlerhaft ausgelegt werden, was zu einem Vereinbarungsbruch führen kann (Chayes/ Chayes 1993: 187–197).

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  27. Das Streitbeilegungsorgan setzt sich aus den Mitgliedern des Allgemeinen Rats zusammen. Die Mitglieder des Streitbeilegungsorgans sind zwar personell identisch mit den Mitgliedern des Allgemeinen Rates, i.e. sie sind Repräsentanten bzw. Botschafter der Mitgliedstaaten, im Streitbeilegungsorgan treten sie aber in anderer Funktion auf. Sie vertreten dort nicht ihre mitgliedstaatlichen Interessen, um Vereinbarungen auszuhandeln, sondern garantieren die Funktionsfähigkeit der WTO durch die Beilegung eines Streitfalls, indem sie die Regeln und Verfahren verwalten und überwachen. Sie entscheiden ja gerade auf der Grundlage der DSU. Das Streitbeilegungsorgan stellt sich damit in den Dienst konkreter Regeln und Verfahren, die durch Anhang 2 des multilateralen Handelsabkommens vorgeben sind. In diesem Kontext ist das Streitbeilegungsorgan in erster Linie dafür verantwortlich, „to administer these rules and procedures“ (World Trade Organization 1994a, Anhang 2, Art. 2, Abs. 1).

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  28. Wie schon die Panels unterliegt auch das Berufungsverfahren einer Ordnung, die die jeweiligen Verfahrensschritte vorschreibt und beispielsweise den Umgang mit den Streitparteien regelt oder einen Zeitplan vorgibt, in dem einzelne Verfahrensschritte abgeschlossen sein müssen (World Trade Organization 2005c). Während die Mitglieder im Streitbeilegungsorgan bzw. im Streitbeilegungspanel auch Mitglieder oder Vertreter einer Regierung sein können, ist dies für Mitglieder des Berufungsorgans ausgeschlossen: „The Appellate Body shall comprise persons of recognized authority, with demonstrated expertise in law, international trade and the subject matter of the covered agreements generally. They shall be unaffiliated with any government“ (World Trade Organization 1994a: Anhang 2, Art. 17, Abs. 3).

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  29. Exemplarisch hierzu eine Stellungnahme aus einem Panelbericht: „As the panel correctly observed in Argentina — Hides and Leather, „Article X:3(a) requires an examination of the real effect that a measure might have on traders operating in the commercial world (para. 11.77)“ (World Trade Organization 2006b: 23). Die Bezugnahme findet nicht nur auf den genannten Bericht bzw. den Streitfall statt, sondern es wird auch hinzugefügt, dass diese Beobachtung und die damit einhergehende Einschätzung korrekt waren. An diese Entscheidung eines vorherigen Berichts wird dann im Weiteren angeschlossen.

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  30. Weiler konstatiert hierzu: „In discussion with quite a few Panellists I have been told that when it came to points of law they did not feel they could meaningfully challenge the legal secretary [...] when the law controls as much as it does today, this shifts even more power from Panel to Secretariat“ (Weiler 2000: 14).

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  31. Dies lässt sich exemplarisch in Berichten des Streitbeilegungspanels oder des Berufungsorgans nachzeichnen. Jeder Bericht enthält dazu einen Überblick der zitierten Berichte, auf die im Rahmen des Panel-oder Berufungsberichts Bezug genommen wird. Auf diese früheren Berichte wird dann an unterschiedlichen Stellen im Bericht Bezug genommen, um damit die Entscheidungsfindung zu untermauern oder genauer, Entscheidungen durch frühere Entscheidungen zu produzieren. Hierzu ein Beispiel: „The Panel’s decision to decline to consider Exhibits EC-167, EC-168, and EC-169 appears to us to be in line with the Appellate Body’s statement in EC — Sardines that “only... ‚precise aspects ‘of the [interim] report... must be verified during the interim review... [a]nd this... cannot properly include an assessment of new and unanswered evidence.” In any event, although Exhibits EC-167, EC-168, and EC-169 might have arguably supported the view that uniform administration had been achieved by the time the Panel Report was issued, we fail to see how these exhibits showed uniform administration at the time of the establishment of the Panel. In the light of the above considerations, we uphold the Panel’s finding, in paragraphs 7.305 and 8.1(b)(v) of the Panel Report [...]“ (World Trade Organization 2006c: 100).

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  32. Hierzu erneut ein Beispiel aus einem Bericht des Berufungsorgans: „We begin our analysis by recalling that the Appellate Body addressed the question of allocation of the burden of proof in US — Wool Shirts and Blouses. [...]The Appellate Body defined the nature of a prima facie case in EC — Hormones. [...] Bearing this in mind, we examine whether the United States had established a prima facie case in assessing non-uniform administration of the successive sales provision. [...] Given this rebuttal, we cannot agree with the United States that Exhibit US-14 amounts to an admission by the European Communities of the fact that some member States impose a prior approval requirement in the administration of the successive sales provision“ (World Trade Organization 2006c: 102f).

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  33. So findet man in Berichten, dass die Streitparteien sich auf frühere Berichte berufen und daher eine bestimmte Auslegung von Regelungen erwarten. Hierzu ein Beispiel: „Argentina draws attention to a statement by the Appellate Body in EC — Bed Linen (Article 21.5 — India) that a complainant should not be prevented from reasserting a claim if the panel exercises false judicial economy“ (World Trade Organization 2007: 59).

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  34. So heißt es zu den Funktionen der WTO: „The WTO shall administer the Understanding on Rules and Procedures Governing the Settlement of Disputes“ (World Trade Organization 1994a, Art. 3, Abs. 3).

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  35. Für die Anschlussfähigkeit des soziologischen Institutionalismus spricht auch, dass in den Internationalen Beziehungen Arbeiten vorliegen, die sich des Institutionenbegriffs bedienen und untersuchen, wie Institutionen auf Staaten wirken (beispielsweise: Finnemore 1996c; Finnemore 1996b).

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  36. Scheeck zeigt beispielsweise wie der Europäische Gerichtshof in Menschenrechtsfragen mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zusammenarbeitet und wie beide Gerichtshöfe in ihrer Rechtsprechung auf Entscheidungen des anderen Gerichtshofs Bezug nehmen. Auf diese Weise können beide Gerichtshöfe die Legitimation ihrer Urteile untermauern, da sie sich nicht nur auf eigene Entscheidungen beziehen, sondern auch die Urteile (Entscheidungen) anderer Gerichtshöfe Bezug nehmen (Scheeck 2005).

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(2008). Verselbständigungsprozesse am Beispiel der WTO und der ZKR. In: Verselbständigungsprozesse internationaler Organisationen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91063-5_5

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