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Organisationstheoretische Konzeptualisierungen von Selbständigkeit

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Verselbständigungsprozesse internationaler Organisationen
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Auszug

Nachdem im vorangegangenen Kapitel die Vorzüge eines offenen Organisationsverständnisses vorgestellt und zentrale Begriffe eingeführt wurden, werden in diesem Kapitel zwei organisationstheoretische Ansätze eines offenen Systemverständnisses147 beschrieben, die sich für die Untersuchung von Verselbständigungsprozessen internationaler Organisationen besonders eignen: der soziologische Neo-Institutionalismus (4.1.) und die Systemtheorie (4.2.). Durch den soziologischen Neo-Institutionalismus kann gezeigt werden, wie es internationalen Organisationen gelingt, institutionalisierten Anforderungen der Umwelt symbolisch zu genügen, ohne dabei ihre Arbeitsoperationen dem Veränderungsdruck zu unterwerfen. Dagegen können internationale Organisationen nach einem systemtheoretischen Organisationsverständnis als eigenständige Systeme begriffen werden, die sich und ihre Grenzen durch Produktion von Entscheidungen herstellen. Zum Abschluss werden beide Ansätze kurz gegenübergestellt, ihre Kernaspekte sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede in einem Zwischenfazit zusammengefasst, durch die die Argumentationslinien geschärft und das weitere Vorgehen angeleitet wird (4.3.).

Die Systemtheorie versperrt sich der exakten Zuordnung zu einer der drei Perspektiven. Genau genommen behandelt die Systemtheorie Organisationen als geschlossene Systeme, die Offenheit erst durch ihre Geschlossenheit zulassen (ausführlicher unter 4.2.2.).

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Literatur

  1. Dieses Verständnis findet man häufig in Überlegungen zu organisationalem Lernen (für einen Überblick siehe: Klimecki/ Thomae 1997).

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  2. Der Begriff des Akteurs — differenziert nach Individuen, Organisationen und Nationalstaaten — wird selbst als historisches und kulturelles Konstrukt begriffen und auf den Prüfstand gestellt (Meyer/ Jepperson 2000: 102f).

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  3. An die Überlegungen Webers schließen vor allem Managementansätze oder auch institutionenökonomische Arbeiten an (Coase 1937; Taylor 1947; Weber 1990; Williamson 1965, siehe auch Kapitel 3.2.).

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  4. Bisweilen werden drei Perspektiven unterschieden, (Türk 1997: 127f, siehe auch Kapitel 3). Neben der makrosoziologischen und der mikrosoziologischen Perspektive führt Türk die mesosoziologische Perspektive an, die exemplarisch durch DiMaggio/Powell (1991b) vertreten wird.

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  5. Berger und Luckmann sprechen in diesem Kontext auch von Habitualisierung bzw. von habitualisiertem Verhalten und untermauern damit, dass es sich bei Institutionen weniger um bewusste Entscheidungen gegenüber einer Verhaltenserwartung handelt, sondern einer gewohnheitsmäßigen und sozialisierten Berücksichtigung (Berger/ Luckmann 1967: 59f).

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  6. Auch in Forschungsarbeiten zum organisationalen Lernen wird dieser Zusammenhang — zumindest implizit — unterstellt. Danach suchen Organisationen nach einem „mismatch“ (Argyris 1976: 364) zwischen dem Output der Organisation und der Nachfrage oder den Interessen, die in der Umwelt angelagert sind. Lernen stellt sich dann — insbesondere in behavioristischen Arbeiten — als die Anpassung des Outputs an die Nachfrage oder Interessen in der Umwelt dar, mit anderen Worten als „detection and correction of errors“ (Argyris 1976: 365).

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  7. Meyer und Scott nutzen in diesem Kontext auch den Kulturbegriff, wobei die Kultur vor allem durch Institutionen und Institutionalisierungen gekennzeichnet ist. Mit dem Kulturbegriff wird einerseits die relative Stabilität externer Anforderungen assoziiert, auf der anderen Seite wird auf die Wirkungskraft sozialer Konstruktionen hingewiesen, denn eine (gesellschaftliche) Kultur kann weder ignoriert noch verneint werden, weil damit quasi automatisch der Status als Organisation in der Gesellschaft auf den Prüfstand gestellt würde und der Ausschluss drohte (Meyer/ Scott 1992a).

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  8. Die makrosoziologische Perspektive des Neo-Institutionalismus siedelt Institutionen in der Organisationsumwelt an, während die mikrosoziologische Forschungsrichtung Organisationen selbst als Institutionen begreift und auch die Produktion von Institutionen in der Organisation verortet. Demnach sind „Organisationen die Quellen institutionalisierter Elemente“ (Walgenbach 2002: 342).

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  9. Brunsson und Jacobsson (2000) nutzen zwar einen anderen Begriff — nämlich Standards —, beschreiben aber ein ähnliches Phänomen, dass nämlich die Welt von Standards durchdrungen ist, die Verhalten prägen (Brunsson/Jacobsson 2000).

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  10. Als Organisationen in einer primär technischen Umwelt werden beispielsweise Unternehmen konzeptualisiert, die sich einem freien Wettbewerb ausgesetzt sehen. Auf der anderen Seite stehen Organisationen in institutionellen Umwelten, wie Schulen oder Krankenhäuser (Scott 1992a).

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  11. Neo-institutionalistische Arbeiten räumen bisweilen ein, dass eine scharfe Unterscheidung zwischen technischen und institutionellen Umwelten problematisch ist. Denn in technischen Umwelten sind ebenfalls Anforderungen zur effizienten und effektiven Steuerung von Organisationen angelegt, die als institutionalisiert — also als taken for granted — perzipiert werden könnten, da es keine Kriterien für optimale technische Lösungen gibt. Damit hängt auch die Identifikation technischer Anforderungen von Institutionalisierungsprozessen (in) der Umwelt ab (Scott 1992b:160).

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  12. Im Rahmen des World Polity-Ansatzes beschreiben Meyer, Boli, Thomas und Ramirez, dass die Entstehung des Nationalstaates und seine Differenzierung in politische Suborganisationen mit konkreten Aufgaben und Zielsetzungen das Ergebnis erfolgreicher Institutionalisierung sind. Sie beschreiben dies an einem hypothetischen Beispiel: „If an unknown society were “discovered” on a previously unknown island, it is clear that many changes would occur. A government would soon form, looking something like a modern state with many of the usual ministries and agencies. Official recognition by other states and admission to the United Nations would ensue. The society would be analyzed as an economy, with standard types of data, organizations, and policies for domestic and international transactions. Its people would be formally reorganized as citizens with many familiar rights, while certain categories of citizens—children, the elderly, the poor—would be granted special protection. Standard forms of discrimination, especially ethnic and gender based, would be discovered and decried. The population would be counted and classified in ways specified by world census models. Modern educational, medical, scientific, and family law institutions would be developed. All this would happen more rapidly, and with greater penetration to the level of daily life, in the present day than at any earlier time because world models applicable to the island society are more highly codified and publicized than ever before. Moreover, world-society organizations devoted to educating and advising the islanders about the models’ importance and utility are more numerous and active than ever“ (Meyer/ Boli et al. 1997: 145f).

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  13. In gewissem Rahmen lassen sich auch die technischen Umwelten, die sich auf die Ergebnisse von Organisationen konzentrieren, als Institution entlarven, da nur jene Ergebnisse berücksichtigt und erhoben werden, von denen man annimmt, dass sie von der Umwelt erwartet werden und den Erfolg der Organisation untermauern. In diesem Zusammenhang haben Heßling und Mennicken darauf hingewiesen, dass mit Accounting-Standards zwar die Vergleichbarkeit von Wirtschaftsunternehmen gewährleistet werden soll, damit allerdings nur ganz bestimmte Informationen über Unternehmen gewonnen werden. Diese haben nur einen beschränkten Aussagewert hinsichtlich der Bewertung von Unternehmen, weil andere Aspekte — wie beispielsweise das intellectual capital — mithilfe dieser Standards nicht erfasst werden können, sondern systematisch ausgeblendet werden (Heßling/ Mennicken 2007).

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  14. Faust und Bahnmüller haben exemplarisch darauf hingewiesen, dass die Nutzung des Computers als rationalisierter Mythos gelten kann, denn eine tatsächliche Effektivitätssteigerung lässt sich in vielen Organisationen nicht belegen (Faust/ Bahnmüller 1996).

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  15. Brunsson und Olsen haben in diesem Zusammenhang die Auswirkungen von Verwaltungsreformen in Schweden und Norwegen untersucht (Brunsson/ Olsen 1993).

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  16. „By organizational field we mean those organisations that, in the aggregate, constitute a recognized area of institutional life: key suppliers, resource and product consumers, regulatory agencies, and other organizations that produce similar services or products“ (DiMaggio/ Powell 1991b: 63f).

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  17. Es lassen sich damit Beziehungen zwischen ähnlichen und unähnlichen Organisationen, Verbindungen auf horizontaler Ebene oder aber lokale und nicht-lokale Verbindungen zwischen Organisationen thematisieren (Scott/ Meyer 1992: 132).

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  18. Meyer und Rowan bezeichnen die Arbeitsebene auch als „day-to-day work activities“ (Meyer/ Rowan 1977: 341).

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  19. Bereits vor dem wegweisenden Aufsatz von Meyer und Rowan (1977) haben ein Jahr zuvor March und Olsen bzw. Weick argumentiert, dass es sich bei formalen Organisationen häufig um lose gekoppelte Systeme handele (March/Olsen 1976; Weick 1976). Das Modell der losen Kopplung bezieht sich allerdings insbesondere auf Interdependenzen zwischen Arbeitsgruppen in Organisationen, während Entkopplung einen Mechanismus zwischen Repräsentations-und Arbeitsebene beschreibt.

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  20. In Arbeiten zum Wandel von Organisationen bzw. zum organisationalen Lernen wird diese Form des Wandels als „symbolisch“ beschrieben. Die Umsetzung von Anforderungen wird gegenüber der Umwelt vorgegeben, manifestiert sich aber nicht auf der Arbeitsebene — diese bleibt von der symbolischen Anpassung unberührt. Zu den unterschiedlichen Reaktionstypen auf externe Anforderungen (Oliver 1991).

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  21. Den Begriff des Vertrauens und dessen Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung der Organisation hinsichtlich ihrer Arbeits-und Repräsentationsebene entwickeln Meyer und Rowan (1977) in Anlehnung an Goffman (Goffman 1985).

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  22. Oliver differenziert drei Taktiken für jede Strategie, die Organisationen als Reaktionen auf institutionalisierte Erwartungen zeigen können: Erdulden (Gewöhnen, Imitieren, Befolgen); Kompromiss (Ausgleichen, Befriedigen, Verhandeln); Vermeiden (Verbergen, Puffern, Fliehen); Trotzen (Zurückweisen, Herausfordern, Angreifen); Manipulieren (Kooptieren, Beeinflussen, Steuern) (Walgenbach 2002: 349; Oliver 1991: 152).

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  23. Ausführlich beschäftigen sich Forschungen zu organisationalem Lernen mit den Reaktionen von Organisationen auf institutionalisierte Erwartungen der Umwelt. Hilkermeier sowie Hilkermeier und Malek bauen dazu das Konzept von Oliver um zwei Reaktionstypen aus (Anerkennung, Ignorieren), das von Kopp-Malek, Koch und Lindenthal für die Untersuchung organisationalen Lernens in der Europäischen Kommission genutzt wird (Hilkermeier 2002; Malek/Koch et al. 2002; Kopp-Malek/Koch et al. 2008).

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  24. So lässt sich ein konformes Verhalten auf der Repräsentationsebene und eine reflexive Konformität auf der Arbeitsebene als „Anerkennen“ (Malek/ Koch et al. 2002: 20ff) charakterisieren, wonach Organisationen die institutionalisierte Anforderung nicht nur strukturell reflektieren, sondern sie auch anerkennen und sie beispielsweise weiterentwickeln können.

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  25. „Ignorieren“ beschreibt eine Reaktion, bei der Organisation weder auf der Repräsentations-noch auf der Arbeitsebene auf institutionalisierte Anforderungen eingehen, sondern diese schlichtweg unberücksichtigt lassen, ihr Verhalten also nicht ändern (Hilkermeier 2002: 207f).

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  26. Hier stellvertretend für viele andere: Meyer/ Rowan 1977: 357f. Der Grund hierfür ist nicht zuletzt, dass internationale Organisationen bisher nur wenig systematisch in die neo-institutionalistische Organisationsforschung einbezogen werden.

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  27. Diese Beschreibung könnte als Untermauerung neorealistischer Ansätze missverstanden werden, die in internationalen Organisationen nur ein weiteres Terrain sehen, auf dem Mitgliedstaaten ihre Interessengegensätze austragen (Mearsheimer 1994–1995). Dadurch würde allerdings übersehen, dass der neo-institutionalistische Mitgliedschaftsbegriff durch den Glauben an die Organisationsziele, deren Verfahren und Praktiken charakterisiert ist. Mitglieder stellen sich in den Dienst internationaler Organisationen und versuchen nicht, diese zu hintergehen (Meyer/Rowan 1977: 344).

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  28. Diese Beobachtung lässt sich auch in internationalen Organisationen machen. So ergab eine Befragung unter Kommissionsbeamten der Generaldirektionen Energie und Verkehr, Umwelt und Unternehmen eine starke Identifikation mit der Europäischen Kommission und ihren Zielen (Kopp-Malek/ Koch et al. 2007).

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  29. In diesem Sinne — ohne explizit den Begriff der Institution zu nutzen — haben Brunsson und Jacobsson (2000) darauf hingewiesen, dass die Welt von Standards durchdrungen ist, die erst dann zu Standardisierung führen und damit Ordnungen prägen, wenn sie von Organisationen aufgenommen und reflektiert werden (Brunsson/Jacobsson 2000).

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  30. Für einen Überblick zur Entstehung internationaler Organisationen seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts siehe Wallace/ Singer 1970. Erstaunlich an der Zielbeschreibung der WTO ist, dass nicht nur die Ziele — nämlich die Wohlfahrtssteigerung für Staaten und Menschen —, sondern auch die Mittel, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen, vorgegeben sind. Es heißt dazu in der Präambel der WTO „[...] contributing to these objectives by entering into reciprocal and mutually advantageous arrangements directed to the substantial reduction of tariffs and other barriers to trade and to the elimination of discriminatory treatment in international trade relations“ (World Trade Organization 1994a).

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  31. „The General Council may make appropriate arrangements for consultation and cooperation with nongovernmental organizations concerned with matters related to those of the WTO“ (World Trade Organization 1994a: Art. V, Abs. 2).

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  32. Die moderne Systemtheorie geht davon aus, dass es nur noch eine Gesellschaft gibt und geben kann, weil Kommunikation nicht an Grenzen haltmacht. In diesem Zusammenhang wird von Weltgesellschaft als dem umfassendsten sozialen System gesprochen (Luhmann 1997b; Stichweh 2000a).

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  33. Ohne die Differenz zwischen System und Umwelt, also ohne die klare Trennung und die Bezeichnung des einen und anderen, könnte man überhaupt nicht von Systemen sprechen, weil nicht klar wird, was die Grenzen desselbigen markiert (Luhmann 1988b: 35f).

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  34. Dieses Auftreten der Unterscheidung von System/Umwelt im System selbst wird als „re-entry“ bezeichnet (Luhmann 1998: 597).

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  35. Relationen und Elemente sind als Differenz ebenso konstitutiv wie die Differenz von System und Umwelt. Es gibt also keine Elemente ohne Relationen und keine Relationen ohne Elemente (Luhmann 1988b: 41).

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  36. Maturana und Varela untersuchen lebendige Systeme, die alle eine gemeinsame Organisation aufweisen. Lebendige Systeme zeichnen sich demnach nicht durch Fortpflanzung oder Evolution aus, sondern eine autopoietische Organisation. Sie behaupten, „dass die Organisation des Lebendigen in unzweideutiger Weise nur dadurch genauer bestimmt werden kann, daß das Netzwerk der Interaktionen all der Teile dargestellt wird, die ein lebendes System als Ganzheit, d.h. als eine „Einheit“ konstituieren“ (Maturana/ Varela et al. 1982: 157; Maturana/Varela 1982).

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  37. Diese Bestimmung der Gesellschaft hat zur Konsequenz, dass es für alle anschlussfähige Kommunikation nur ein einziges Gesellschaftssystem geben kann, i.e. die Weltgesellschaft. Alle Unterschiede innerhalb der Weltgesellschaft müssen sich daher als interne Differenzierungen dieses Systems erklären lassen (Stichweh 2000b: 13).

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  38. Um die Bedeutung von Kommunikation für die Gesellschaft zu betonen, hat Luhmann an anderer Stelle konstatiert, dass es nicht um vermeintlich objektive Tatsachen geht, sondern dass darüber kommuniziert wird. „Es mögen Fische sterben oder Menschen, das Baden in Seen oder Flüssen mag Krankheiten erzeugen, es mag kein Öl mehr aus den Pumpen kommen und die Durchschnittstemperaturen mögen sinken oder steigen: solange darüber nicht kommuniziert wird, hat dies keine gesellschaftlichen Auswirkungen. [...] Sie (die Gesellschaft, MK) beobachtet nur durch Kommunikation“ (Luhmann 2004a: 63).

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  39. Im Gegensatz zum Luhmann’schen Sytembegriff siehe beispielsweise Scott (1992c).

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  40. Organizational sensemaking dient dem Ziel der Selbsterhaltung der Organisation (Weick 1985). Sinnstiftung und Organisieren hängen dabei eng miteinander zusammen — „[b]oth organizations and sensemaking processes are cut from the same cloth. To organize is to impose order, counteract deviations, simplify and connect, and the same holds true when people try to make sense“ (Weick 1995: 82).

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  41. Hierzu konstatiert Luhmann: „Für alle formal organisierten Systeme ist charakteristisch, daß ihre Mitglieder gewissen ausdrücklich herausgehobenen Erwartungen die Anerkennung nicht verweigern können, ohne ihre Mitgliedschaft zu riskieren. Das gilt namentlich für diejenigen Erwartungen, die mit dem Organisationszweck verbunden sind“(Luhmann 1999: 36).

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  42. Der Strukturbegriff ist hier nicht als Synonym für Arbeitsteilung zu verstehen, sondern ein Korrelatbegriff für Autopoiesis. Strukturen werden durch Operationen erzeugt und für weitere Operationen zur Verfügung gehalten und reproduziert. Für die Entscheidungen ist es unerheblich, wie genau die Struktur gestaltet ist, sofern sie nur das Prozessieren und Kommunizieren weiterer Entscheidungen erlaubt (Luhmann 2000b: 50).

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  43. Der Umwelt werden in der Regel bestimmte Eigenschaften zugeschrieben, die die Handlungsfähigkeit der Organisation einschränken, wie z.B. Komplexität, Ressourcenknappheit, Informationsüberschuss, Dynamik etc. Vor dem Hintergrund dieses Umweltverständnisses wird die Aufgabe der Organisation darin gesehen, die der Umwelt innewohnende Komplexität zu reduzieren und Ressourcen einzuwerben (ausführlicher dazu in Kapitel 3.3) (Terreberry 1967; Scott 1992c). Exemplarisch wird zumeist auf Unternehmen verwiesen, die den „Markt“ oder die Kunden beobachten, um deren Wünsche und Begehrlichkeiten zu erheben und daraufhin eben jene Produkte zu produzieren, um möglichst große Gewinne einzustreichen.

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  44. Ähnlich argumentiert auch Weick, der von enacted environments spricht und damit andeutet, dass die Umwelt nicht gegeben ist, sondern durch die Organisation geschaffen wird oder genauer gesagt, nur in der Organisation besteht (Weick 1979; Weick 1995).

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  45. Für die Umwelt sind Informationen der Organisation nicht sichtbar, zumindest solange nicht sichtbar, bis andere soziale Systeme (in der Umwelt der Organisation) eine Irritation aus ihrer Umwelt aufgreifen, verarbeiten und diese im System als Information abbilden. Dann freilich handelt es sich wiederum um eine Information in einem System, das allerdings nicht die Ausgangsorganisation ist (Luhmann 1991).

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  46. Letzteres wird als Beobachtung zweiter Ordnung beschrieben (Luhmann 2000b).

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  47. Analog dazu stellt Luhmann fest, dass eine ökologische Gefährdung für die Gesellschaft nur durch die Gesellschaft erzeugt werden kann (Luhmann 2004b).

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  48. Systeme müssen nicht einmal über die meisten oder wesentlichen Ursachen verfügen, um Produktionen zu gewährleisten (Teubner 1987a: 428).

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  49. Gleichwohl lässt sich vor allem an den Beispielen ablesen, dass implizit ein an Individuen ausgerichtetes Mitgliedschaftsverständnis vorherrscht (Luhmann 1999).

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  50. Luhmann spricht in diesem Fall von doppelter Rahmung. „Nach außen grenzt sich das System durch die Unterscheidung von Zugehörigkeit/Nichtzugehörigkeit ab. [...] Intern entsteht durch die geringe Spezifikation der Mitgliedschaftsanforderung ein Medium, das weiterer Spezifikation bedarf; also ein Medium, das Formen benötigt, um Operationen erzeugen zu können; oder nochmals anders: ein Medium, das weitere interne Unterscheidungen als Rahmen ermöglicht, in denen dann das Verhalten mit einem Rest an Spontaneität, aber erwartbar, festgelegt werden kann“ (Luhmann 2000b: 112).

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  51. Ähnlich argumentiert Luhmann, wenn er behauptet, dass Organisationen die Gesellschaft mit Diskriminierungsfähigkeit ausstatten (Luhmann 1997a).

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  52. Man darf auch in Zweifel ziehen, inwiefern sich Motive durch Interviews oder andere Formen der Befragung erschließen lassen (Luhmann 2000b: 110f). Zumindest zwei Gründe sprechen dafür, dass Interviewaussagen nur eine eingeschränkte Aussagekraft besitzen, um auf Motive zu schließen. Erstens können befragte nur jene Motive angeben, die in Zusammenhang mit der Entscheidung stehen. Andere Motivlagen (persönliche Ressentiments etc.) können nur schwer erfasst werden, weil der Befragte einräumen müsste, dass diese außerhalb des für die Entscheidung relevanten Kontextes lägen. Es ist daher schwer feststellbar, ob eine Entscheidung getroffen wurde, weil sie in Anbetracht der Situation besonders anschlussfähig und plausibel erscheint oder weil der Entscheidungsträger einen Zahnarzttermin hat und sich daher nicht länger mit dem Entscheidungsfindungsprozess auseinandersetzt, sondern auf nahe liegende oder routinemäßige Entscheidungen zurückgreift. Zweitens, das zeigen organisationssoziologische Arbeiten, wird die Rationalität, mit der Entscheidungen getroffen werden, retrospektiv begründet. Es wird also erst im Nachhinein eine Rationalität konstruiert und vorgegeben, die dem Entscheidungsfindungsprozess zugrunde lag (Weick 1995; Weick 1985).

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  53. Ausführlich wird die Bedeutung von Entscheidungsprämissen und Routinen für Entscheidungsfindungsprozesse bereits in entscheidungstheoretischen Arbeiten diskutiert (March/ Simon 1993; Simon 1976; Simon 1979).

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  54. Das heißt nicht, dass es für alle anderen Entscheidungen einzig richtige oder optimale Problemlösungen gibt. Entscheidungen verkörpern immer nur mehr oder weniger zufrieden stellende Problemlösungen. Es hängt von der Organisation ab, wie entschieden wird, daher kann und muss „das Entscheiden über Organisationsfragen eine Aufgabe darin sehen, einen wiederum nicht optimalen, wohl aber zufrieden stellenden Entscheidungsprozess sicherzustellen“ (Luhmann 1991: 349).

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  55. Luhmann schließt damit an frühe entscheidungstheoretische Annahmen an, in denen betont wird, dass Organisationen keine optimalen Entscheidungen produzieren, sondern Entscheidungen treffen, um Probleme unabhängig davon, ob es nicht auch bessere oder problemadäquatere Alternativen gäbe, zu bearbeiten (March/ Simon 1958).

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  56. Dagegen gibt es auch unentscheidbare Entscheidungsprämissen, die sich eingespielt haben, ohne dass ihnen eine explizierbare Entscheidung zugrunde liege. Unentscheidbare Entscheidungsprämissen werden häufig mit dem Begriff der Organisationskultur in Verbindung gebracht. Smircich gibt hierzu einen guten Überblick, der aber auch zeigt, dass es sich trotz aller Definitionsversuche um ein Konzept handelt, das unterbestimmt ist, weil mit ihm genau jene Regelmäßigkeiten der Entscheidungen bezeichnet werden, die sich eben nicht auf explizierbare Entscheidungen zurückführen lassen. Es erweckt fast den Anschein, als habe man es mit einer Residualkategorie zu tun, unter der Unentscheidbares subsumiert wird (Smircich 1983).

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  57. Gerade diese Einschränkung wird in den Internationalen Beziehungen ins Feld geführt, um den Akteurscharakter internationaler Organisationen in Zweifel zu ziehen und anzudeuten, dass es weniger eine Entscheidung der internationalen Organisation als eine Mehrheitsentscheidung der Mitglieder ist, die durch internationale Organisationen generiert wird. Exemplarisch hierzu: „In einer Vielzahl von Fällen wird die Zuschreibung von Tätigkeiten zu bestimmten internationalen Organisationen nur eine kürzelhafte Bezeichnung der Tatsache sein, dass ein Kollektiv von Staaten einmütig oder nach kontroverser Beratung durch Mehrheitsentscheid eine Entscheidung im Rahmen der Zuständigkeit der betreffenden internationalen Organisation herbeigeführt hat. So gesehen erscheint es in der Tat zweifelhaft, internationale Organisationen als Akteure begreifen zu können, da doch nur die Gesamtheit der Mitgliedstaaten oder eine obsiegende Koalition von Mitgliedstaaten gehandelt hat“ (Rittberger/ Zangl 2003: 24).

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  58. Das lässt sich übrigens nicht erst mit Blick auf die systemtheoretische Analyse, sondern bereits vor dem Hintergrund völkerrechtlicher Definitionen internationaler Organisationen feststellen (siehe Kapitel 2.1.). Diese betonen ja gerade, dass internationale Organisationen als Völkerrechtspersönlichkeiten fungieren können, wenn Mitgliedstaaten bestimmte Kompetenzen übertragen (Klein 2004).

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  59. Verselbständigung als Prozess, wonach Selbständigkeit graduell ist, also zu-oder abnehmen kann, lässt sich nur mit einen Teubner’schen Systemverständnis vereinigen (Teubner 1987b: 91). Denn Luhmann konstatiert, dass die operative Schließung keine Gradualisierung zulässt (Luhmann 2000b: 51).

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  60. Man denke zum Beispiel an Entscheidungen im Rahmen des WTO-Streitschlichtungsverfahrens, die weniger als Entscheidung des fünfköpfigen Expertenpanels denn als Entscheidung der WTO verstanden werden (Zangl 2001; Zangl 2006; Lörcher 2001: 499).

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  61. Die vorliegende Arbeit spart bewusst die Beschäftigung mit Funktionssystemen aus, weil dies für die Bearbeitung der Fragestellung nicht relevant ist und man — sobald Funktionssysteme einmal eingeführt sind — das Verhältnis von Funktionssystem und Organisation klären muss. Da internationale Organisationen vor allem hinsichtlich ihres ordnungsgenerierenden Charakters thematisiert wurden, wird mit Blick auf die Entscheidungen internationaler Organisationen, auf deren kollektiv bindenden Charakter abgestellt. Eine Affinität zum Politiksytem ist offensichtlich (Luhmann 2000a: 228ff).

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(2008). Organisationstheoretische Konzeptualisierungen von Selbständigkeit. In: Verselbständigungsprozesse internationaler Organisationen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91063-5_4

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