Skip to main content

Die üffnung der Schule als soziale Schließung - zum Zusammenhang von generationaler Ordnung und Lernen

  • Chapter
Paradoxien in der Reform der Schule
  • 6853 Accesses

Auszug

Ein zentrales Anliegen reformpädagogischer Ansätze ist die Verbindung von Erziehung und Unterricht und damit einhergehend die Einbeziehung lebensweltlicher Bezüge des Schülers. Damit entstehen innerhalb der Schulkulturen Müglichkeitsräume für Lernen, die hinsichtlich des spezifischen Verhältnisses von Lebenswelt und Schule betrachtet werden künnen. Dieses Verhältnis in den Blick zu bekommen kann dadurch geschehen, dass die pädagogischen Generationsbeziehungen von Schule, Familie und Schüler fokussiert werden. Dies soll im Folgenden unter Bezugnahme auf den Zusammenhang des DFG-Projektes áPädagogische Generationsbeziehungen in Familie und Schule“1 geschehen. Die theoretische Grundlegung des Projekts wie auch dieses Beitrags bezieht sich auf die Wechselseitigkeit der Erziehungs- und Lernprozesse in Familie und Schule, wobei schulisches und familiales Handeln strukturell unterschieden werden: Die Eltern-Kind-Beziehungen sind als naturwüchsig zu bezeichnen und durch eine konstitutive Kürperbasis, Vertrauen, Unkündbarkeit und Intimisierung gekennzeichnet (Oevermann 2001). Die schulischen, professionalisierten Generationsbeziehungen hingegen sind zunächst durch die Vermittlung und Aneignung von Wissen bestimmt. Jedoch greifen strukturtheoretische Annahmen, die vor allem die Austauschbarkeit und Rollenfürmigkeit der Beziehungen im Blick haben (etwa: Parsons 1991) oder funktionalistische Ansätze, in denen es vor allem um die Selektions-, Qualifikations- und Legitimationsfunktion der Schule geht (Fend 1980) zu kurz, um die schulischen Generationsbeziehungen beschreiben zu künnen. Denn diese Beziehungen sind neben der spezifischen Ausrichtung auch durch Diffusität gekennzeichnet und qualitative Studien verweisen auf die bio- grafische Bedeutsamkeit von Lehrern (Nittel 1992, Helsper 1996). Gemeinsam ist den familialen und schulischen Beziehungen eine konstitutive Generationendifferenz (Kramer/Helsper/Busse 2001), das heißt: in den Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern bzw. Jugendlichen finden Erziehungs- und Lernprozesse statt und die Frage nach der Individuation von Kindern und Jugendlichen kann nicht ohne Erwachsene gedacht werden (dazu: Honig 1999). In diesen Beziehungen werden schließlich unterschiedliche generationale Ordnungen ausgeformt (Kramer/Helsper/Busse 2001), die sich im Spannungsfeld von Symmetrie und Asymmetrie, Nähe und Distanz, Autonomie und Heteronomie sowie Individuierung und Abhängigkeit verorten lassen. Dabei sind jedoch nicht nur die durch die konstitutive Generationsdifferenz geprägten Beziehungen von Bedeutung, sondern auch Familie und Schule beziehen sich in spezifischer Weise aufeinander. Diese Bezugnahme muss durch den Schüler verarbeitet und ausbalanciert werden, so dass man davon sprechen kann, dass pädagogische Generationsbeziehungen sich im Dreieck von Familie, Schule und Jugendlichem konstituieren.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 39.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 44.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

o

  1. Projektleiter sind Prof. Dr. Werner Helsper und Dr. Rolf-Torsten Kramer, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen Susann Busse und Dr. Merle Hummrich.

    Google Scholar 

  2. Die Ergebnisse der mit der objektiven Hermeneutik erarbeiteten Rekonstruktionen können hier nur sehr verknappt wiedergegeben werden. Die ausführlichen Ergebnisse finden sich im Forschungsbericht des DFG-Projektes (Helsper/Kramer/Busse/Hummrich 2004).

    Google Scholar 

  3. Hier lassen sich Verbindungen knüpfen zu der Schulkultur einer Internatsschule, in der sich die Schule als pädagogische Großfamilie entwirft (dazu: Böhme 2000, Helsper/Böhme/Kramer/ Lingkost 2001): In der Abiturrede des Schulleiters nimmt die Vergewisserung von Schule als hochbedeutsamem und verbindlichem Ort für die Schüler eine zentrale Stellung ein. Sie stellt sich als ein „künstliches Elternhaus“ (Böhme 2000, S. 64) dar, das sich den Schülern gegenüber als die soziale Familie präsentiert und damit im Kontrast zur biologischen Familie, die nur einen funktionalen Stellenwert besitzt, aufgewertet wird. Während der außerschulische Raum im Fall der Internatsschule jedoch ausgeblendet wird (die Kinder sind ja ohne ihre Eltern im Internat), soll er im vorliegenden Fallbeispiel integriert werden — bis in die schulischen Lernräume hinein.

    Google Scholar 

Literatur

  • Baumann, Z. (1995): Moderne und Ambivalenz. Das Ende der Eindeutigkeit. Frankfurt, a.M.

    Google Scholar 

  • Bühme, J. (2000): Schulmythen und ihre imaginäre Verbürgung durch oppositionelle Schüler. Bad Heilbrunn.

    Google Scholar 

  • Busse, S./ Helsper, W. (2004): Schule und Familie. In: Bühme, J./ Helsper, W. (Hrsg.): Handbuch der Schulforschung. Wiesbaden, S. 439–464.

    Google Scholar 

  • Ecarius, J. (1998): Was will die jüngere Generation mit der älteren? Opladen.

    Google Scholar 

  • Fend, H. (1980): Theorie der Schule, Weinheim/Basel.

    Google Scholar 

  • Giddens, A. (1996): Konsequenzen der Moderne. Frankfurt a.M.

    Google Scholar 

  • Helsper, W. (1994): Zum Verhältnis von Individualisierungstheorie und Subjekttheorie. Reflexionen zu ungelüsten Ebenenproblemen am Beispiel der Jugendforschung. In: Hamburger, F./ Heuer, B. (Hrsg.): Individualisierungstheorie auf dem Prüfstand der Jugendforschung. Mainz, S. 86–167.

    Google Scholar 

  • Helsper, W. (1996): Antinomien des Lehrerhandelns in modernisierten pädagogischen Kulturen. Paradoxe Verwendungsweisen von Autonomie und Selbstverantwortlichlkeit. In: Combe, A./ Helsper, W. (Hrsg.): Pädagogische Professionalisierung. Frankfurt a.M., S. 521–569.

    Google Scholar 

  • Helsper, W./ Bühme, J./ Kramer, R.-T./ Lingkost, A. (2001): Schulkultur und Schulmythos. Rekonstruktionen zur Schulkultur I. Opladen.

    Google Scholar 

  • Helsper, W./ Kramer, R.-T./ Busse, S./ Hummrich, M. (2004): Pädagogische Generationsbeziehungen in Familie und Schule. Rekonstruktionen zum Verhältnis von Familie, Schule und Schülerbiographie. Forschungsbericht für die DFG. Halle.

    Google Scholar 

  • Helsper, W./ Hummrich, M. (2005): Erfolg und Versagen in der Schulkarriere. Ausmaß, Erklärungen, biografische Auswirkungen und Perspektiven. In: Sachverständigenkommission des Deutschen Bundestages (Hrsg.): Zwülfter Kinder-und Jugendbericht. Materialienband 3. München. S. 95–174.

    Google Scholar 

  • Honig, M.-S. (1999): Entwurf einer Theorie der Kindheit. Frankfurt a.M.

    Google Scholar 

  • Honneth, A. (2000): Organisierte Selbstverwirklichung. Paradoxien der Individualisierung. In:-Sachverständigenkommission des Deutschen Bundestages(Hrsg.): Befreiung aus der Mündigkeit. Frankfurt a.M., S. 141–158.

    Google Scholar 

  • Hummrich, M. (2002): Bildungserfolg und Migration. Biographien junger Frauen in der Einwanderungsgesellschaft. Opladen.

    Google Scholar 

  • Hummrich, M./ Helsper, W. (2004): áFamilie geht zur Schule“: Reformschule als Familienerzieher und die Einschließung der familiären Generationsbeziehung in eine schulische Generationsordnung. In: Idel, Sebastian/ Kunze, Katharina/ Ullrich, Heiner (Hrsg.): Das Andere Erforschen. Opladen, S. 235–248.

    Google Scholar 

  • Idel, T.-S./ Ullrich, H. (2004): Reform-und Alternativschulen. In: Bühme, J./ Helsper, W. (Hrsg.): Handbuch der Schulforschung. Wiesbaden, S. 367–390.

    Google Scholar 

  • Kramer, R.-T./ Helsper, W./ Busse, S. (2001): Pädagogische Generationsbeziehungen und die symbolische Generationsordnung — überlegungen zur Anerkennung zwischen den Generationen als antinomischer Struktur. In: Kramer, R.-T./ Helsper, W./ Busse, S. (Hrsg.): Pädagogische Generationsbeziehungen. Opladen, S. 129–155.

    Google Scholar 

  • Krumm, V. (1996): über die Vernachlässigung der Eltern durch Lehrer und Erziehungswissenschaft. Plädoyer für eine veränderte Rolle der Lehrer bei der Erziehung der Kinder. In: Leschinsky, A. (Hrsg.): Die Institutionalisierung von Lehren und Lernen. Beiträge zu einer Theorie der Schule. 34. Beiheft der Zeitschrift für Pädagogik. Weinheim/Basel, S. 119–140.

    Google Scholar 

  • Maas, M. (2004): áIch versuche witzig zu sein“ — eine Fallstudie über Entwicklungsprobleme von Adoleszenten im schulischen Kontext. In: Idel, Sebastian/ Kunze, Katharina/ Ullrich, Heiner (Hrsg.): Das Andere Erforschen. Opladen, S. 135–146.

    Google Scholar 

  • Nittel, D. (1992): Gymnasiale Schullaufbahn und Identitätsentwicklung. Weinheim 1992.

    Google Scholar 

  • Oevermann, U. (1995): Ein Modell zur Struktur von Religiosität. Zugleich ein Strukturmodell von Lebenspraxis und von sozialer Zeit. In: Wohlrab-Sahr, M. (Hrsg.): Biographie und Religion. Zwischen Ritual und Selbstsuche. Frankfurt a.M./New York, S. 27–120.

    Google Scholar 

  • Oevermann, U. (2001): Die Soziologie der Generationsbeziehungen und der Generation aus strukturalistischer Sicht und ihre Bedeutung für die Schule. In: Kramer, R.-T./ Helsper, W./ Busse, S. (Hrsg.): Pädagogische Generationsbeziehungen. Opladen, S. 78–126.

    Google Scholar 

  • Parsons, T. (1991): Sozialstruktur und Persünlichkeit. Frankfurt a.M.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Editor information

Georg Breidenstein Fritz Schütze

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2008 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

Hummrich, M. (2008). Die üffnung der Schule als soziale Schließung - zum Zusammenhang von generationaler Ordnung und Lernen. In: Breidenstein, G., Schütze, F. (eds) Paradoxien in der Reform der Schule. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91053-6_17

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91053-6_17

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-14837-3

  • Online ISBN: 978-3-531-91053-6

  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

Publish with us

Policies and ethics